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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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aufbrachen, konnten sie durch den Wychwood und über die Straße von Oxford nach Bath auf die Ebene kommen. Innerhalb einer Woche, sagte sie sich, konnten sie in Schottland sein, in der Nähe von Invercassley oder Dornoch, wohin die Pest nie gekommen war.
    »Pater Roche«, sagte sie, als er anfing, den Grabhügel mit der flachen Schaufel festzuklopfen. »Wir müssen nach Schottland gehen.«
    »Schottland?« fragte er, als ob er nie davon gehört hätte.
    »Ja«, sagte sie. »Wir müssen fort von hier. Wir müssen den Esel nehmen und nach Schottland ziehen.«
    Er nickte. »Wir müssen die Sakramente mit uns nehmen, und bevor wir gehen, muß ich die Totenglocke für Rosemund läuten, daß ihre Seele sicher in den Himmel gelange.«
    Sie war nahe daran, es ihm auszureden, ihm zu sagen, daß die Zeit drängte, daß sie jetzt aufbrechen mußten, unverzüglich, aber sie nickte. »Ich werde Balaam holen«, sagte sie.
    Roche ging zum Glockenturm, und sie lief über den Dorfanger zurück zum Stall, den Esel herauszuholen. Sie war wie besessen von dem Wunsch, fortzukommen, jetzt gleich, bevor noch etwas geschah, als ob die Pest auf der Lauer läge, um sie anzuspringen, aus der Kirche oder dem Brauhaus oder der Scheune.
    Sie rannte keuchend über den Hof und in den Stall und führte den Esel heraus. Sie lief wieder in den Stall und holte die Tragkörbe und das Geschirr heraus.
    Die Glocke läutete einmal, dann blieb sie still, und Kivrin hielt inne, die Gurte des Traggeschirrs in der Hand, und lauschte, wartete auf die nächsten Glockenschläge. Drei Schläge für eine Frau, dachte sie, dann fiel ihr ein, warum er aufgehört hatte. Ein Schlag für ein Kind. Ach, Rosemund.
    Sie stellte die Tragkörbe neben die bereitgelegten Gegenstände und Vorräte, um zu prüfen, wie sie sich am besten gleichmäßig füllen ließen. Sie waren zu klein, um alles aufzunehmen. Sie würde dem Esel die Säcke mit Hafer und Äpfeln auf den Rücken binden müssen. Zuerst mußte sie einen Sack mit Hafer füllen. Sie fand einen im Stall, trug ihn zum Kornspeicher und hob die Körner mit den zusammengelegten Händen aus dem Haferkasten und in den Sack. Dabei verstreute sie mehrere Händevoll auf den gestampften Lehmboden, und als sie die Menge für ausreichend hielt, verknotete sie den Sack mit einem derben Strick, der neben der Box von Agnes’ Pony hing. Der Strick war dort mit einem dicken Knoten angebunden, den sie nicht lösen konnte. Schließlich mußte sie ins Küchenhaus laufen, um ein Messer zu holen und den Strick abzuschneiden.
    Sie tat es und teilte ihn in kürzere Stücke, ließ das Messer am Boden liegen und ging hinaus zum Esel. Er war dabei, ein Loch in den Hafersack zu beißen. Sie legte ihm das Traggeschirr auf, zog den breiten Gurt unter dem Bauch fest und band ihm die Säcke mit den kurzen Stricken auf den Rücken. Dann hängte sie die Körbe rechts und links ein, band sie am Traggeschirr fest und füllte sie möglichst gleichmäßig mit den Dingen, die sie mitnehmen wollte. Schließlich führte sie den Esel aus dem Hof und über den Dorfanger zur Kirche.
    Pater Roche war nirgendwo in Sicht. Kivrin mußte noch die Decken und die Kerzen holen, aber zuvor wollte sie die Sakramente in den Körben unterbringen. Proviant, Hafer, Decken, Kerzen. Hatte sie noch etwas vergessen?
    Pater Roche erschien in der Kirchentür. Er hatte nichts in den Händen.
    »Wo sind die Sakramente?« rief sie ihm zu.
    Er antwortete nicht, stand ein paar Augenblicke an die Kirchentür gelehnt, starrte zu ihr herüber, und der Ausdruck in seinem Gesicht war der gleiche wie an jenem Tag, als er gekommen war, ihr vom ersten Pestopfer im Dorf zu berichten. Aber sie sind alle gestorben, dachte sie. Es ist keiner mehr übrig.
    »Ich muß die Glocke läuten«, sagte er und ging über den Friedhof zum Glockenturm.
    »Ihr habt sie bereits geläutet«, sagte sie. »Es ist keine Zeit für das Grabgeläute. Wir müssen aufbrechen.« Mit kältesteifen Fingern band sie den Esel an die Friedhofspforte und eilte ihm nach. Noch vor dem Glockenturm erreichte sie ihn und hielt ihn am Ärmel zurück. »Was ist geschehen?«
    Er wandte sich beinahe heftig zur ihr um, und sein Gesichtsausdruck erschreckte sie. Er sah wie ein Halsabschneider, ein Mörder aus. »Ich muß die Vesperglocke läuten«, sagte er und schüttelte ihre Hand ab.
    Lieber Gott, nein, dachte Kivrin.
    »Es ist erst Mittag«, sagte sie. »Es ist noch nicht Zeit für die Vesper.« Er ist bloß müde, dachte sie. Wir

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