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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Verwaltung war zweifellos weit im Rückstand, überschwemmt vom Papierkrieg der Epidemie und noch nicht dazu gekommen, Marys Zugangs-Code zu löschen. Irgendwann würden sie auf den Irrtum stoßen, doch hatte der wendige William sicherlich schon die Löschung vorbereitet.
    Er ließ sein Krankenblatt rückwärts über den Bildschirm scrollen. Eintragungen mit AHRENS fanden sich bis zum 8. Januar, ihrem Todestag. Sie mußte sich um ihn gekümmert haben, bis sie nicht mehr stehen konnte. Kein Wunder, daß ihr Herz der Belastung nicht standgehalten hatte.
    Er schaltete die Konsole aus, damit die reguläre Schwester nicht auf die Eintragung aufmerksam werden konnte, und legte sich ins Bett. William war imstande, ihren Namen auch unter die Entlassungsscheine zu setzen, aber ob das gutgehen konnte? Sicherlich wäre es in Marys Sinn gewesen; sie hätte gern geholfen.
    Den ganzen Abend blieb er ohne Besuch. Die Schwester kam und überprüfte die Kontrollanzeigen und gab ihm seine Tabletten, und Dunworthy hielt den Atem an, als sie an der Konsole die Eingabe machte, doch schien sie nichts zu bemerken. Um zehn kam eine zweite Schwester herein, wiederholte die Tetracyclin-Injektion und gab ihm eine mit Gammaglobulin.
    Sie ließ den Bildschirm eingeschaltet, und als sie gegangen war, verließ Dunworthy wieder das Bett, um sich zu vergewissern, ob auch diese unter Marys Namen verabreicht worden waren. Er grunzte befriedigt, schaltete die Konsole aus und tappte zurück zum Bett. Er dachte nicht, daß er würde schlafen können, aber unversehens lösten sich seine Gedanken in Träume auf, und er sah sich in Ägypten und im Tal der Könige, obwohl er nie dort gewesen war.
    »Mr. Dunworthy, wachen Sie auf«, flüsterte Colin. Er leuchtete ihm mit einer Taschenlampe ins Gesicht.
    »Was ist los?« murmelte Dunworthy, ins Licht blinzelnd. Er tastete auf dem Nachttisch nach der Brille. »Wer… was ist?«
    »Ich bin es, Colin«, flüsterte der Junge. Er drehte die Taschenlampe um und beleuchtete sein eigenes Gesicht. Aus irgendeinem unbekannten Grund trug er einen weißen Kittel, und sein Gesicht sah angespannt aus, unheimlich im aufwärtsgerichteten Lichtkegel.
    »Wie kommst du hierher? Was ist mit dir?«
    »Nichts«, flüsterte Colin. »Sie werden entlassen.«
    Dunworthy hakte sich die Brille über die Ohren. Er konnte noch immer nichts sehen. »Wie spät ist es?« flüsterte er zurück.
    »Vier Uhr.« Er schob ihm die Pantoffeln hin und richtete die Taschenlampe auf den Schrank. »Beeilen Sie sich!« Er nahm Dunworthys Bademantel vom Haken und warf ihn aufs Bett. »William hat die Nachtschwester abgelenkt, aber sie kann jeden Augenblick zurückkommen.«
    Dunworthy fummelte mit Bademantel und Pantoffeln, versuchte aufzuwachen und fragte sich, warum sie um diese nachtschlafende Zeit entlassen wurden und wo die Schwester sein mochte.
    Colin ging zur Tür und lugte hinaus. Er schaltete die Taschenlampe aus, steckte sie in die Tasche des zu großen Laborkittels und schloß die Tür. Nachdem er eine Weile mit angehaltenem Atem gelauscht hatte, öffnete er sie einen Spalt breit und spähte wieder hinaus. »Alles klar.« Er winkte Dunworthy. »William hat sie ins Wäschezimmer gelockt.«
    »Wen, die Schwester?« fragte Dunworthy, noch nicht klar bei Sinnen. »Wer hat draußen Dienst?«
    »Die Nachtschwester. William hält sie im Wäschezimmer zurück, bis wir fort sind.«
    »Mit Gewalt?«
    »Wenn Sie so wollen: mit ganz sanfter.« Er lachte und öffnete die Tür ganz. Draußen stand ein Rollstuhl, den er bei den Handgriffen nahm.
    »Ich kann gehen«, sagte Dunworthy.
    »Es ist nicht genug Zeit«, flüsterte Colin. »Und wenn jemand uns sieht, kann ich sagen, daß ich Sie zur Röntgenabteilung bringe.«
    Dunworthy setzte sich und ließ sich von Colin durch den Korridor und am Wäschezimmer vorbeischieben. Colin schob den Rollstuhl auf Zehenspitzen bis zum Ende des Korridors, dann sauste er in einem Tempo los, wie es kein Pfleger anschlagen würde, der einen Patienten zum Röntgen bringt, durch einen weiteren Korridor, um eine Ecke und zum rückwärtigen Lieferanteneingang, wo sie das letzte Mal von Plakatträgern angesprochen worden waren, die ihnen die Endzeit verheißen hatten.
    Draußen war es stockdunkel und regnerisch. Dunworthy konnte nur undeutlich den Krankenwagen ausmachen, der ohne Beleuchtung am Straßenrand hielt. Colin schlug mit der Faust gegen die Hecktür, und eine Gestalt sprang heraus. Es war die Ärztin, die mit ihrem

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