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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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öffnete die Augen ein wenig. Sie waren blutunterlaufen und geschwollen.
    »Ich dachte… ich dachte, du schliefest«, sagte sie mit Bedauern. »Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Du mußt wieder zum Himmel auffahren«, sagte er, »und für meine Seele im Fegefeuer beten, daß meine Zeit dort kurz sein möge.«
    Fegefeuer. Als ob Gott ihn noch länger leiden lassen würde, als er schon gelitten hatte.
    Sie drückte ihm die Hand. »Du wirst meiner Gebete nicht bedürfen.«
    »Du mußt zu dieser Stelle zurückkehren, von der du kamst«, sagte er angestrengt, und seine Hand machte eine unbestimmte Bewegung vor seinem Gesicht, als versuchte er einen Schlag abzuwehren.
    Kivrin ergriff seine Hand und hielt sie wieder, aber behutsam, um keine Blutergüsse auszulösen, und legte sie an ihre Wange.
    Sie müsse zu der Stelle zurückkehren, von der sie gekommen war. Ich wollte, ich könnte es, dachte sie. Wie lange mochten sie das Netz offengehalten haben, bevor sie aufgegeben hatten? Vier Tage? Eine Woche? Vielleicht war es noch offen. Mr. Dunworthy würde niemals zulassen, daß sie es schlossen, solange noch ein Rest Hoffnung blieb. Aber es gibt keine Hoffnung, dachte sie. Ich bin nicht im Jahr 1320. Ich bin hier in den Jahren des Schwarzen Todes, in der Zeit des Untergangs.
    »Ich kann nicht«, sagte sie. »Ich weiß den Weg nicht.«
    »Du mußt versuchen, dich zu erinnern«, sagte Pater Roche, machte seine Hand los und wedelte damit ins Leere. »Jenseits der Gabel.«
    Kivrin erhob sich auf die Knie, um bereit zu sein, wenn er unruhig wurde und sich aufzurichten versuchte, um zu erbrechen.
    »Wo du fielst«, sagte er und stützte die in der Luft wedelnde Hand, indem er die andere Hand unter den Ellbogen legte, und Kivrin merkte, daß er den Weg weisen wollte. »Jenseits der Gabel.«
    Er meinte die Weggabelung.
    »Was ist jenseits der Gabel?« fragte sie.
    »Der Ort, wo ich dich zuerst fand, als du vom Himmel fielst «, sagte er und ließ die Arme sinken.
    »Ich dachte, Gawyn hätte mich gefunden.«
    »Ja«, sagte er, als sähe er keinen Widerspruch darin, »ich traf ihn auf dem Weg, als ich dich zum Herrenhaus brachte.«
    Er hatte ihn unterwegs getroffen!
    »Die Stelle, wo Agnes fiel«, sagte er, um ihrer Erinnerung aufzuhelfen. »An dem Tag, als wir die Stechpalmenzweige suchten.«
    Warum sagtest du es mir nicht, als wir dort waren? dachte Kivrin, aber sie wußte die Antwort. Er hatte mit dem Esel alle Hände voll zu tun gehabt, der auf der Anhöhe stehengeblieben und nicht zum Weitergehen zu bewegen war.
    Nun wurde ihr auch klar, warum der Esel störrisch geworden war. Weil er sie hatte durchkommen sehen und von der Lichterscheinung und dem Glitzern der Kondensation erschreckt worden war. Er hatte sich erinnert und eine Wiederholung befürchtet. Und Pater Roche hatte auf der Lichtung über ihr gestanden und sie angesehen, als sie dagelegen hatte, einen Arm über dem Gesicht. Ich hörte ihn, dachte sie. Ich sah seinen Fußabdruck.
    »Du mußt zu der Stelle zurückkehren, und von dort wieder zum Himmel«, sagte er und schloß die Augen.
    Er hatte sie durchkommen sehen, war gekommen und hatte vor ihr gestanden, als sie mit geschlossenen Augen dagelegen hatte, und später war er wiedergekommen, hatte sie krank vorgefunden und auf seinen Esel geladen. Und sie war nie auf den Gedanken gekommen, nicht einmal, als sie ihn in der Kirche gesehen hatte, nicht einmal, als Agnes ihr erzählt habe, er glaube, daß sie eine Heilige sei.
    Weil Gawyn ihr gesagt hatte, er habe sie gefunden. Gawyn, der gern prahlte und alles tat, um Eliwys zu beeindrucken. Vielleicht hatte er seine Behauptung nicht einmal als eine Lüge betrachtet. Der Dorfpfarrer war schließlich ein Niemand. Und die ganze Zeit, als Rosemund krank gewesen und Gawyn nach Bath fortgeritten und das Netz geöffnet und dann für immer geschlossen worden war, hatte Pater Roche die Stelle gekannt.
    »Es ist nicht nötig, auf mich zu warten«, sagte er. »Sicherlich sehnen sie sich nach deiner Rückkehr.«
    »Still«, sagte sie sanft. »Versuch zu schlafen.«
    Er sank wieder in einen unruhigen Schlummer, doch blieben seine Hände in rastloser Bewegung, zupften an den Decken herum und schienen etwas anzuzeigen. Er schob die Decken fort und fühlte seinen Unterleib. Der arme Mann, dachte Kivrin, es sollte ihm keine Unwürdigkeit erspart bleiben.
    Sie legte ihm die Hände auf die Brust und deckte ihn zu, aber er stieß sie wieder von sich und zog den Saum seiner Soutane über die

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