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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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im Sterben lag, sagte er mir, wo der Absetzort war, damit ich zum Himmel zurückkehren kann. Er sagte mir, ich solle ihn verlassen und gehen, so daß ich bereits dort sein würde, wenn er käme«, sagte sie, und ging hinaus in den Schnee.

 
36
     
     
    Der Schnee fiel lautlos und friedlich auf den Rappen und den Esel, die geduldig bei der Friedhofspforte standen. Dunworthy half Kivrin auf den Hengst, und sie schreckte vor seiner Berührung nicht zurück, wie er es befürchtet hatte, doch sobald sie im Sattel saß, entzog sie sich seinem Griff und nahm die Zügel. Er sah sie im Sattel zusammensinken und sich die Seite halten, sagte aber nichts.
    Inzwischen zitterte er vor Kälte und mußte die Zähne zusammenbeißen, damit sie nicht hörbar aufeinanderschlugen. Erst beim dritten Versuch gelang es ihm, auf den Esel zu steigen, und er fürchtete jeden Augenblick herunterzurutschen.
    »Ich glaube, ich führe Ihr Maultier«, sagte Colin mit einem mißbilligenden Blick.
    »Wir haben nicht genug Zeit«, sagte Dunworthy. »Es ist schon fast dunkel. Reite hinter Kivrin.«
    Colin führte den Hengst an die Friedhofsmauer, stieg hinauf und krabbelte von dort hinter Kivrin in den Sattel.
    »Hast du das Ortungsgerät?« fragte Dunworthy. Er versuchte behutsam, den Esel mit den Fersen anzutreiben, ohne hinunterzufallen.
    »Ich weiß den Weg«, sagte Kivrin.
    Colin hielt das Ortungsgerät in die Höhe. »Da ist es. Und die Taschenlampe.« Er schaltete sie ein und leuchtete damit auf dem Friedhof umher, als suchte er etwas, das sie zurückgelassen haben könnten. Zum ersten Mal schien er die Gräber zu bemerken.
    »Ist das hier, wo Sie alle begraben haben?« sagte er, den Lichtkegel auf den frisch verschneiten Grabhügeln.
    »Ja«, sagte Kivrin.
    »Sind sie schon lange tot?«
    Sie wendete den Hengst und setzte ihn in Bewegung. »Nein.«
    Die Kuh folgte ihnen ein Stück Weges. Ihr volles Euter schwang hin und her, und schließlich blieb sie auf dem Weg stehen und begann jämmerlich zu muhen. Dunworthy sah sich nach ihr um, bis sie unschlüssig kehrtmachte und langsam den Weg hinunter zum Dorf wanderte. Der Schnee hatte die Gräber vollständig zugedeckt und die Kirche war nur noch ein verschwommener steingrauer, Umriß in der schnee-erfüllten Dämmerung, der Glockenturm kaum noch zu erkennen.
    Kivrin blickte nicht zurück. Sie saß jetzt sehr gerade im Sattel und hielt die Zügel mit beiden Händen. Colin wagte nicht, die Arme um ihre Mitte zu legen und sich an ihr festzuhalten, sondern umklammerte mit den Fingern den Sattelbogen hinter sich. Als sie in den Wald kamen, schien der Schneefall nachzulassen, aber allenthalben löste sich lockerer Neuschnee von Ästen und hochschnellenden Zweigen und fiel in lautlosen weißen Kaskaden herab.
    Dunworthy folgte dem Pferd und mußte es dem Esel überlassen, mit der gleichmäßigen Gangart des Hengstes Schritt zu halten. Er selbst war vollauf damit beschäftigt, dem Fieber Widerstand zu leisten, das sich mit Schwindelgefühl und Desorientierung zurückmeldete. Das Aspirin wirkte nicht – er hatte es mit zu wenig Wasser genommen –, und er spürte, wie das Fieber ihn allmählich überwältigte und anfing, den Wald und den knochigen Eselsrücken und Colins Stimme aus seinem Bewußtsein zu drängen.
    Der Junge redete munter auf Kivrin ein, erzählte ihr von der Epidemie, und wie er es darstellte, klang es wie ein Abenteuer. »Sie sagten, es sei Quarantäne, und wir müßten zurück nach London, aber das wollte ich nicht. Ich wollte Großtante Mary besuchen. Also schlüpfte ich durch die Absperrung, aber der Wächter sah es und rief. ›Du da! Halt!‹ und rannte hinter mir her, und ich lief die Straße hinunter und dann in eine Durchfahrt…«
    Der Hengst hielt an, und Colin und Kivrin stiegen ab. Colin nahm seinen Schal ab, und sie zog ihr vom getrockneten Blut steifes Wams hoch und band sich den Schal um die Rippen. Die Schmerzen mußten stärker sein, als Dunworthy gedacht hatte, und er sagte sich, daß er wenigstens versuchen sollte, ihr zu helfen, fürchtete aber, daß er, wenn er vom Esel abstiege, nicht wieder hinaufkommen würde.
    Kivrin und Colin saßen wieder auf – sie reichte ihm die Hand und half ihm in den Sattel –, und sie ritten langsam weiter. An jeder Biegung und Abzweigung verlangsamten sie, um die Richtung zu kontrollieren, Colin über die Leuchtanzeige des Ortungsgerätes gebeugt und mit dem ausgestreckten Arm zeigend, Kivrin mit dem Kopf nickend.
    »Dies ist die

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