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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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vorgenommen worden war, hatte sie überrascht. Eliwys hatte nicht einmal zornig gewirkt, und sobald Maisry gegangen war, setzte sie sich wieder unter das Fenster und sagte mit ruhiger Stimme: »Das Fräulein könnte nicht fortgeschafft werden, selbst wenn ihre Familie käme. Sie kann bei uns bleiben, bis mein Mann zurückkehrt. Er wird sicherlich bis Weihnachten hier sein.«
    Auf der Treppe wurde Gepolter laut. Anscheinend hatte sie sich geirrt, dachte Kivrin, und die doppelte Ohrfeige hatte gefruchtet. Aber dann kam Agnes hereingestürzt, einen Gegenstand an die Brust gedrückt.
    »Agnes!« sagte Eliwys. »Was tust du hier?«
    »Ich bringe mein…« Der Dolmetscher hatte es noch immer nicht Karrette?
    »Du bist ein unartiges Kind, daß du dich vor Maisry versteckst und hierher kommst, das Fräulein zu stören«, sagte Imeyne. »Sie leidet sehr unter ihren Verletzungen.«
    »Aber sie sagte mir, daß sie es sehen will.« Sie hielt es hoch. Es war ein rot und gelb bemaltes Spielzeug, ein Wagen.
    »Gott straft diejenigen, die falsches Zeugnis geben, mit immerwährender Pein«, sagte Frau Imeyne und packte das kleine Mädchen derb bei der Schulter. »Das Fräulein kann nicht sprechen. Du weißt es genau.«
    »Zu mir hat sie gesprochen«, sagte Agnes unerschrocken.
    Gut, dachte Kivrin. Immerwährende Pein. Wie kann man einem Kind mit solch schrecklichen Dingen drohen? Aber dies war das Mittelalter, eine Zeit, in der die Pfarrer ständig von der Apokalypse und dem Weltgericht predigten, von den Qualen der Verdammten in Hölle und Fegefeuer.
    »Sie sagte mir, daß sie meinen Wagen sehen will«, sagte Agnes. »Sie sagte, daß sie keinen Hund hat.«
    »Du erfindest Geschichten«, sagte Eliwys. »Das Fräulein kann nicht sprechen.«
    Kivrin begriff, daß sie eingreifen mußte, sonst würden sie auch das kleine Mädchen ohrfeigen.
    Sie stützte sich auf die Ellenbogen. Die Anstrengung machte sie atemlos. »Ich sprach mit Agnes«, sagte sie. Wenn nur der Dolmetscher tun würde, was von ihm erwartet wurde! Wenn er in diesem Augenblick wieder versagte, und Agnes Schläge bekäme, würde sie es sich nie verzeihen. »Ich bat sie, mir den Wagen zu zeigen.«
    Beide Frauen wandten sich um und schauten sie an, Eliwys mit vor Überraschung geweiteten Augen. Die alte Frau sah verblüfft und dann zornig aus, als fühlte sie sich von Kivrin getäuscht.
    »Ich habe es euch gesagt«, erklärte Agnes und kam mit dem Spielzeug ans Bett.
    Kivrin sank erschöpft zurück. »Wo bin ich hier?« fragte sie.
    Eliwys faßte sich. »Du ruhst sicher im Haus meines Herrn und Gemahls…« Der Dolmetscher hatte Schwierigkeiten mit dem Namen. Er klang wie Guillaume d’Iverie oder vielleicht Deveraux.
    Eliwys beugte sich eifrig bemüht über sie. »Der Vertraute meines Mannes fand dich im Wald und brachte dich her. Du warst von Räubern überfallen und verletzt worden. Wer waren die Wegelagerer?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Kivrin.
    »Ich werde Eliwys genannt, und dies ist die Mutter meines Mannes, Frau Imeyne. Wie heißt du?«
    Und nun war es Zeit, ihnen die ganze sorgfältig recherchierte Geschichte zu erzählen. Sie hatte dem Pfarrer gesagt, ihr Name sei Katherine, aber Frau Imeyne hatte bereits deutlich gemacht, daß sie nichts von ihm hielt. Sie traute ihm nicht einmal zu, daß er Latein konnte. Kivrin könnte sagen, daß er sie mißverstanden habe, daß ihr Name Isabel de Beauvrier sei. Sie konnte ihnen erzählen, daß sie im Delirium den Namen ihrer Mutter oder ihrer Schwester gerufen habe. Oder daß sie die heilige Katharina angerufen habe.
    »Von welcher Familie bist du?« fragte Frau Imeyne.
    Es war eine sehr gute Geschichte. Sie würde ihre Identität und Position in der Gesellschaft nachweisen und sicherstellen, daß sie nicht versuchen würden, Boten zu ihrer Familie zu schicken. Yorkshire war zu weit entfernt und die Straße nach Norden im Winter unpassierbar.
    »Wohin wolltest du fahren?« fragte Eliwys.
    Der Fachbereich Mittelalter hatte das Wetter und die winterlichen Straßenverhältnisse so gründlich erforscht, wie es nur möglich war. Im Dezember hatte es zwei Wochen lang jeden Tag geregnet, und erst Ende Januar hatte scharfer Frost die verschlammten Straßen überfrieren lassen. Aber sie hatte die Straße nach Oxford gesehen, und sie war trocken und befahrbar gewesen. Ebenso hatte der Fachbereich die Farbe ihres Kleides gründlich recherchiert, desgleichen das Vorkommen von Glasfenstern in den Häusern der Oberschicht. Er hatte auch

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