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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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war, obwohl Agnes wahrscheinlich zu jung war, um es zu wissen. Sie sah wie drei oder vier aus, obwohl sie natürlich viel kleiner war als ein dreijähriges Kind der Neuzeit. Dann also fünf, oder sogar sechs. Ich hätte sie nach ihrem Alter fragen sollen, dachte Kivrin, bevor ihr einfiel, daß die Kleine das auch nicht wissen würde. Nicht einmal Johanna von Orleans hatte gewußt, wie alt sie war, als die Inquisitoren sie bei ihrer Gerichtsverhandlung gefragt hatten.
    Wenigstens konnte sie Fragen stellen, dachte Kivrin. Der Dolmetscher war doch nicht defekt. Er mußte vorübergehend funktionsunfähig gewesen sein, verwirrt von der seltsamen Dialektfärbung der Aussprache, oder irgendwie durch ihr Fieber beeinträchtigt, aber jetzt war er in Ordnung, und Gawyn wußte, wo der Absetzort war, und konnte ihn ihr zeigen.
    Sie richtete sich auf, den Oberkörper auf die Ellbogen gestützt, um die Tür zu sehen. Die Anstrengung ließ den Schmerz in Brust und Kopf Wiederaufleben und machte sie schwindlig. Ängstlich befühlte sie Stirn und Wangen. Sie fühlten sich warm an, doch mochte das daran liegen, daß ihre Hände kalt waren. Es war eisig im Zimmer, und auf ihrem Ausflug zum Nachttopf hatte sie keine Spur von einem Kohlenbecken oder auch nur einer Wärmflasche gesehen.
    Waren Wärmflaschen schon erfunden? Es mußte so sein. Wie hätten die Leute sonst die Kleine Eiszeit überleben sollen? Es war so kalt.
    Sie begann heftig zu zittern. Das Fieber mußte wieder im Steigen begriffen sein. War das möglich? In ihrem medizinischen Selbstunterricht hatte sie gelesen, wie ein Fieber zurückging, nachdem es den Höhepunkt überschritten hatte, und daß der Patient danach geschwächt war, aber das Fieber kehrte nicht zurück, oder? Doch, das kam vor, zum Beispiel bei Malaria. Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, wiederkehrende Fieber. Natürlich gab es das.
    Nun, Malaria war es offensichtlich nicht. Malaria war in England niemals verbreitet gewesen, hier lebten mitten im Winter keine Moskitos und hatten nie gelebt, und die Symptome waren falsch. Sie hatte zu keinem Zeitpunkt geschwitzt, und das Zittern, unter dem sie jetzt wieder litt, war eine Begleiterscheinung des Fiebers.
    Typhus erzeugte Kopfschmerz und hohes Fieber und wurde durch verunreinigtes Wasser, Essen oder durch Schmierinfektion übertragen. All diese Bedingungen waren im Mittelalter gegeben, aber die Inkubationszeit war mit acht bis vierzehn Tagen zu lang.
    Bei Unterleibstyphus betrug die Inkubationszeit nur ein paar Tage, und auch hier traten Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und hohes Fieber auf. Sie glaubte nicht, daß es ein wiederkehrendes Fieber war, erinnerte sich aber, daß von steilem Anstieg am Abend die Rede gewesen war, und das mußte bedeuten, daß es während des Tages niedriger war. Sie fühlte sich schläfrig, doch war auch das kein verläßliches Zeichen. Sie war von der Krankheit geschwächt und schlief mit Unterbrechungen die ganze Zeit.
    Immerhin war Schläfrigkeit ein Symptom von Unterleibstyphus. Sie versuchte sich darauf zu besinnen, was Dr. Ahrens ihr über mittelalterliche Medizin gesagt hatte. Nasenbluten, bedeckte Zunge, rosa Ausschlag. Der Ausschlag sollte erst am siebten oder achten Tag erscheinen, aber Kivrin zog vorsichtshalber das Nachthemd hoch und untersuchte Bauch und Magengegend. Kein Ausschlag, also war es kein Unterleibstyphus. Auch Pocken schieden aus, denn sie zeigten sich am zweiten oder dritten Tag.
    Sie fragte sich, wo Agnes blieb. Vielleicht war jemand verspätet auf den vernünftigen Gedanken gekommen, sie vom Krankenzimmer fernzuhalten, oder vielleicht gab die unzuverlässige Maisry tatsächlich acht auf sie. Wahrscheinlicher war, daß sie in den Stall gegangen war, ihren Hund zu besuchen, und darüber vergessen hatte, daß sie zu Kivrin kommen wollte.
    Die Pest hatte mit Kopfschmerzen und Fieber angefangen. Es kann nicht die Pest sein, dachte Kivrin. Du hast keines der Symptome. Beulen, die bis Orangengröße erreichten, eine Zunge, die anschwoll, bis sie den ganzen Mund ausfüllte, subkutane Blutungen, die den ganzen Körper schwärzlich verfärbten. Du hast nicht die Pest.
    Es mußte eine Art Grippe sein. Das war die einzige Krankheit, die so plötzlich kam, und Dr. Ahrens war beunruhigt gewesen, daß Mr. Gilchrist den Termin vorverlegt hatte, denn die antivirale Vorbeugung würde erst bis zum Fünfzehnten ihre volle Wirkung entfalten, und sie würde nur partielle Immunität genießen. Es mußte die

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