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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Gilbert. Er fiel vom Pferd. Ich sah ihn liegen. Sein Kopf war ganz rot. Bruder Hubard starb an der Blaukrankheit, sagt Rosemund.«
    Kivrin fragte sich, was die Blaukrankheit war – vielleicht Erstickung, oder ein Schlaganfall –, und ob er der Kaplan war, dessen Ablösung Eliwys’ Schwiegermutter so am Herzen lag. Pater Roche war anscheinend der Dorfpfarrer, wahrscheinlich ungebildet und möglicherweise sogar analphabetisch, obwohl sie sein Latein gut verstanden hatte. Und er war freundlich gewesen. Er hatte sie bei der Hand gehalten und ihr gesagt, daß es nichts zu fürchten gebe. Es gibt nette Leute im Mittelalter, Mr. Dunworthy, dachte sie. Pater Roche und Eliwys und Agnes.
    »Mein Vater sagte, er würde mir eine Elster bringen, wenn er von Bath kommt«, sagte Agnes. »Adelica hat einen Falken. Manchmal darf ich ihn halten.« Sie hielt den gekrümmten Arm aufwärts und von sich, die kleine Faust geschlossen, als säße ein Falke auf ihrem imaginären Handschuh. »Ich habe einen Hund.«
    »Hat dein Hund einen Namen?« fragte Kivrin.
    »Ich nenne ihn Blackie«, sagte Agnes, doch Kivrin war überzeugt, daß dies nur die Version des Dolmetschers war. Wahrscheinlich hatte das Kind Blakkin gesagt. »Er ist schwarz. Hast du einen Hund?«
    Kivrin war so überrascht, daß sie nicht gleich antworten konnte. Sie hatte gesprochen und sich verständlich gemacht. Agnes hatte nicht einmal zu erkennen gegeben, daß ihre Aussprache ungewöhnlich war. Sie hatte gesprochen, ohne an den Dolmetscher zu denken oder auf seine Übersetzung zu warten, und vielleicht war das das Geheimnis.
    »Nein, ich habe keinen Hund«, sagte sie in banger Erwartung, ob es ihr gelingen würde, den Erfolg zu wiederholen.
    »Ich werde meiner Elster das Sprechen beibringen. Ich werde ihr beibringen, daß sie sagt: Guten Morgen, Agnes.«
    »Wo ist dein Hund?« fragte Kivrin in einem neuen Versuch. Die Worte klangen jetzt anders, leichter und mit der seltsam französisch anmutenden Betonung, die sie in der Sprache der Frauen gehört hatte.
    »Willst du Blackie sehen? Er ist im Stall«, sagte sie. Es klang wie eine direkte Antwort, aber die sprunghafte kindliche Ausdrucksweise machte es schwierig, Gewißheit zu bekommen. Vielleicht plapperte Agnes nur drauflos. Um sicherzugehen, würde Kivrin sie etwas fragen müssen, was ganz außerhalb des Themas lag und nur eine Antwort zuließ.
    Agnes streichelte das weiche Fell der Bettdecke und summte vor sich hin.
    »Sag mir, wie du heißt«, sagte Kivrin und überließ es dem Dolmetscher, ihre Worte umzuwandeln. Ob er es richtig machte, blieb unklar, aber das Kind zögerte nicht.
    »Agnes«, sagte das kleine Mädchen prompt. »Mein Vater sagt, ich darf auch einen Falken haben, wenn ich alt genug bin, ein Pferd zu reiten. Ich hab ein Pony.« Sie hörte auf, das Fell zu streicheln, stützte die Ellbogen auf das Bett und legte das Kinn in die kleinen Hände. »Ich kenne deinen Namen«, sagte sie selbstgefällig. »Er ist Katherine.«
    »Was?« sagte Kivrin. Katherine. Wie war sie auf den Namen gekommen? Ihr angenommener Name sollte Isabel sein. War es möglich, daß sie zu wissen glaubten, wer sie war?
    »Rosemund sagt, daß niemand deinen Namen kennt«, fuhr Agnes fort, »aber ich hörte Pater Roche zu Gawyn sagen, daß du Katherine genannt wirst. Rosemund sagt, du kannst nicht sprechen, aber du kannst es doch.«
    Kivrin hatte ein plötzliches Vorstellungsbild des Priesters, wie er sich über sie beugte, das Gesicht verhüllt von den Flammen, die ständig vor ihr zu lodern schienen, und auf lateinisch sagte: »Wie ist dein Name, daß ich dir die Absolution erteilen kann?«
    Und sie hatte sich bemüht, das Wort zu bilden, obwohl ihr Mund so trocken war, daß sie kaum sprechen konnte, in Angst, daß sie sterben und die anderen niemals erfahren würden, was mit ihr geschehen war.
    »Heißt du Katherine?« fragte Agnes, und durch die Übersetzung des Dolmetschers konnte sie klar die Stimme des kleinen Mädchens hören. Es klang genau wie Kivrin.
    »Ja«, sagte Kivrin. Ihr war zum Weinen zumute.
    »Blackie hat ein…«, sagte Agnes. Der Dolmetscher hatte das Wort nicht aufgefangen. Karrette? Charrette? »Es ist rot. Magst du es sehen?« Und bevor Kivrin sie zurückhalten konnte, lief sie durch die halboffene Tür hinaus.
    Kivrin wartete und hoffte, das Kind würde zurückkommen und ein Karrette oder Charrette nichts Lebendiges sein, und bedauerte, daß sie nicht gefragt hatte, wo sie war und wie lange sie schon im Haus

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