Die Jerusalem-Krise
»Steigen Sie wieder in den Wagen, John.«
»Und wohin soll ich fahren?«
»Wir bleiben hier stehen. Außerdem ist es gut, dass jemand Ihren Rücken deckt. Man kann nie wissen.«
Er hatte Suko also gesehen. Es freute mich, dass er es auf die leichte Art nahm. Sein Vertrauen uns gegenüber schien doch ziemlich groß zu sein.
Ich stieg wieder ein, und der Mann öffnete die Beifahrertür. Erst jetzt sah ich ihn richtig, aber zuvor fiel mir schon der Geruch auf, den er ausströmte. Okay, da überwog die Feuchtigkeit, aber irgendwie roch er auch nach Staub und alten Steinen. Als hingen gewisse Erinnerungen an die Vergangenheit im dunklen Stoff seines Mantels.
Vom Aussehen her konnte man ihn eher als unscheinbar beschreiben. Er war ein Mensch, der nicht auffiel. Mittelgroß, eine kahle Stelle auf dem Kopf, ein rundes Gesicht, zu dem das weiche Kinn passte, und eine kleine Nase, die leicht nach oben zeigte. In der Hand hielt er eine flache Mütze. Er hatte sie vor dem Einsteigen abgenommen.
»Sie sind also der Mensch, der mich herbestellt hat?«
»Genau, Mr. Sinclair.«
»Wenn Sie mich schon kennen, würde ich auch gern Ihren Namen erfahren, wenn es möglich ist.«
»Natürlich. Ich heiße Peter Graves.«
»Gut. Stört es Sie, wenn ich Ihnen sage, dass ich den Namen noch nie zuvor gehört habe?«
»Nein.«
»Aber Sie kennen mich!«
Er lachte und drehte mir seinen Kopf zu. »Wer kennt Sie nicht, Mr. Sinclair?«
»Bitte. Da gibt es einige Menschen, die noch nichts von mir gehört haben.«
»Ja, das schon, aber in gewissen Kreisen haben Sie schon einen Namen. Was ich nicht nur auf Sie persönlich beziehe, sondern auch auf das, was man persönliche Vergangenheit nennt, die doch gerade hier in Schottland ziemlich präsent ist.«
»Das kann ich nicht bestreiten. Der Name Sinclair hat hier schon einen Namen. Da brauche ich nur an Sinclair Castle an der Nordostküste zu denken.«
»Richtig. Aber darum geht es in diesem Fall nicht. Auch den Sinclair-Clan können Sie vergessen. Dafür sind Dinge passiert, die...«, er hob die Schultern, »nicht einfach zu erklären sind. Da könnten Sie schon Probleme bekommen.«
»Machen Sie es doch nicht so spannend.«
»Bitte, Mr. Sinclair, ich mache es nicht spannend. Es ist spannend und gefährlich.«
»Deshalb bin ich ja hier, um diese Gefahr möglicherweise abzuwenden oder ihr entgegenzutreten. Oder nicht?«
»So ähnlich.«
»Und was wollten Sie mir mitteilen?«
Peter Graves nagte an seiner Unterlippe. Ich bekam keine direkte Antwort, denn er sprach zunächst über sich. »Ich bin von Beruf Steinmetz und Restaurator. Es ist wichtig, dass Sie das wissen, Mr. Sinclair. In meinem Beruf gibt es viel zu tun, und er ist auch nicht so einfach gestrickt, wie es sich vielleicht anhören mag. Man muss schon ein bestimmtes Wissen haben, um erfolgreich zu sein.«
»Ich werde mich hüten, Ihnen das abzuerkennen. Dann hat Sie Ihr Wissen also auf meine Spur gebracht, nehme ich mal an.«
»Das kann man so sagen.«
»Jetzt möchte ich nur noch wissen, worum es geht.«
Graves schaute sich so vorsichtig um, als rechnete er damit, heimlich beobachtet zu werden. Sein Blick glitt durch die Fenster, doch draußen bewegte sich nur der Nebel.
»Es geht um einen tiefen Griff in die Vergangenheit, Mr. Sinclair. Um eine Vergangenheit, die sich hier in dieser Gegend abgespielt und auch Spuren hinterlassen hat.«
»Von wem?«
»Templer«, flüsterte er.
Ich nickte und war nicht mal zu sehr überrascht, denn zahlreiche Spuren dieser Ritter vom Tempel Salomons zu Jerusalem führten in viele Länder Europas und sogar nach Übersee. Ich wusste auch, dass hier einiges noch verborgen lag, das einer Aufklärung bedurfte.
»Sind Sie überrascht, Mr. Sinclair?«
»Nicht allzu sehr.«
»Gut.« Er schaute mich kurz an und lächelte dabei. »Ich weiß etwas über Sie Bescheid, das steht außer Frage, aber was ich hier entdeckt habe, wird auch Ihnen neu sein.«
»Dann sollten Sie jetzt reden, Mr. Graves.«
Zunächst drehte er seine flache Kappe zwischen den Fingern. »Wie ich Ihnen schon sagte, arbeite ich als Restaurator. Ich bin spezialisiert auf Fresken und Bilder und hoffe immer darauf, mal einen historischen Schatz zu entdecken.«
»Was Ihnen auch gelungen ist – oder? Sonst hätten Sie mich nicht angerufen.«
»So könnte man das sagen.«
»Und was haben Sie entdeckt?«
Nach dieser für mich entscheidenden Frage hoffte ich, auch die entsprechende Antwort zu erhalten, aber Peter Graves
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