Die Jerusalem-Krise
aber schließlich einverstanden und tauchte ab. Der Vergleich stimmte sogar, denn mittlerweile wurde der Nebel immer dichter und breitete sich als grauer Vorhang aus. Seine Farbe entsprach genau meiner Stimmung, denn happy war ich über das Wetter nicht. So etwas konnte man ideal als eine Falle nutzen. Und ob sich nur ein Mensch mit mir treffen wollte, war auch noch die große Frage.
***
Obwohl nichts passierte, stieg die Spannung bei mir an. Es konnte auch an der Umgebung liegen, die tatsächlich ideal für einen Hinterhalt war. Zur Straße hin wuchs die Wand aus Sträuchern. Das war die eine Seite, aber es gab noch eine zweite, und die war weniger schön. Zur anderen Richtung hin war das Gebiet ebenfalls nicht einsehbar. Da gab es die hohen Bäume und auch das Unterholz, das hohe Gras, und es gab auch Äste, die miteinander verflochten waren.
Wir hatten kurz nachgeschaut, wie das Gelände dahinter aussah. Es fiel dort ab. Ein flacher Hang, über den sich ebenfalls Dunstschwaden hinwegschoben, die diese Welt so fremd und dicht machten.
Ich hatte die Scheibe an der Fahrerseite um eine Handbreit nach unten fahren lassen. Es machte mir nichts aus, dass die graue Suppe zusammen mit einer gewissen Feuchtigkeit in meinen Wagen drang. Für mich war es wichtig, dass ich hörte, was draußen vorging. Von der Straße her klangen die Geräusche der vorbeifahrenden Wagen nur sehr gedämpft an meine Ohren. Wäre nicht meine innere Spannung gewesen, ich hätte auch die Augen schließen und schlafen können.
Das tat ich nicht. Ich blieb hellwach und schaute nach vorn zu einer der beiden Zufahrten hin, die allerdings nicht mehr zu sehen waren, weil der Nebel sie verschluckt hatte.
Ebenso wie Suko. Aber ich wusste, dass er in der Nähe war und die Augen offen hielt.
Dann bewegten sich zwei schwammige Lichter vor mir. Sie wirkten im Nebel wie faserige Augen, die nicht viel näher kamen, denn das Fahrzeug wurde angehalten.
War darin der unbekannte Anrufer?
Ich stellte mich darauf ein, verwünschte den Nebel und wünschte mir freie Sicht.
Jedenfalls wurde die Fahrertür des Wagens aufgestoßen. Ein Mann verließ das Auto. Er blieb stehen und reckte sich. So reagiert jemand, der lange hinter dem Steuer gesessen hat und jetzt etwas Bewegung braucht.
Der Mann schaute auch zu meinem Fahrzeug hin, das sich schwach innerhalb des Dunstes abmalte. Ich wartete darauf, dass er zu mir kam. Den Gefallen tat er mir nicht, denn er ging mit schnellen Schritten an den Gebüschrand und öffnete seine Hose.
Ich musste grinsen, als er Wasser ließ. Eine Minute später saß er wieder in seinem Fahrzeug und fuhr damit dicht an mir vorbei. Falscher Alarm also.
Ich schaute zur Uhr hin.
Die Zeit war reif. Der Unbekannte hätte jetzt erscheinen müssen, aber er kam nicht. Dafür meldete sich mein Handy.
Es war Suko, der mich fragte, ob sich schon etwas getan hatte.
»Nein. Aber das müsstest du doch auch wissen.«
»Stimmt. Nur halte ich mich hier versteckt und bekomme leider nicht so viel zu sehen.«
»Es ist ruhig.«
»Und was war mit dem Wagen?«
»Der Fahrer musste mal.«
»Ah ja.«
»Bleib cool, mein Lieber.«
»Gem. Wie lange willst du warten?«
»Ich weiß es noch nicht. Aber wenn ich kalte Füße bekomme, dann hauen wir ab.«
»Gut. Bis dann.«
Hatten wir einen Fehler begangen? Hätten wir einfach die Zeit ignorieren sollen? Ich wusste es nicht, aber ich war hin- und hergerissen. Ich wusste, dass etwas auf mich zukam. Nur der Auslöser des Ganzen ließ sich entsprechend Zeit.
Um mich herum hatte die Stille wieder die Oberhand gewonnen. Ich hörte so gut wie nichts, aber der Nebel verdichtete sich zum Glück nicht weiter. So gelang es mir einigermaßen, den Blick über den Parkplatz schweifen zu lassen.
Ich überlegte auch, ob ich aussteigen sollte. Mir ein wenig die Beine zu vertreten war gar nicht so verkehrt. So öffnete ich die Tür und verließ den Wagen.
Es wurde kalt. Der Nebel klebte in meinem Gesicht fest. Vor den Lippen dampfte der Atem. Wieder sanken Blätter zu Boden. Nach den ersten Stürmen würden die Bäume leer sein, und dann blieb auf dem Boden der farbige Teppich liegen.
In meiner Nähe raschelte es.
Ich drehte mich um, dachte auch an ein Tier, aber es war ein Mensch, der mich ansprach.
»Sie haben Ihr Wort gehalten, John, das ist gut.«
»So bin ich nun mal.«
Ich hatte mich noch weiter gedreht, um den Mann anschauen zu können, aber er hielt sich noch bedeckt. Zudem schützte ihn der Nebel.
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