Die Joghurt-Luege
zumal Analysten und Anleger Unilever zwar für verlässlich, aber gleichzeitig auch für schwerfällig und marktzahm |33| halten. Immerhin steckt Unilever pro Jahr 1,2 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung – das ist mehr Geld, als irgendeiner deutschen Universität pro Jahr zur Verfügung steht. Trotzdem verließen in den vergangenen Jahrzehnten kaum wirkliche Innovationen die insgesamt sechs Forschungslabors; wenn Unilever einmal einen Hit landete wie die Eiscreme Vienetta, dann waren Produktentwickler am Werk, nicht Forscher. 20 Oder das Unternehmen geht selbst auf Einkaufstour, wie im Jahr 2000, als es die Mitbewerber Bestfoods und Slim Fast übernahm. Die weltweit agierende Bestfoods mit den in Deutschland bekannten Marken Pfanni, Knorr, Mazola und Mondamin passte hervorragend ins Portfolio, ebenso wie die vitaminisierten, kalorienarmen Produkte der Slim-Fast-Familie. Mit Slim Fast hatte Unilever den Nerv abnehmwilliger Übergewichtiger getroffen: Dank beeindruckender Vorher-Nachher-Werbung mit Prominenten wie Jutta Speidel und Harry Wijnvoord avancierte Slim Fast zur Lieblingsspeise vieler Dicker.
Dass nach der firmeninternen Schlankheitskur in Zukunft auch von den Forschungslabors mehr Output erwartet wird, ist den Verantwortlichen bewusst, zumindest aber ist das Ziel abgesteckt. Jan de Rooij, Direktor des Unilever-Forschungslabors in Vlaardingen bei Rotterdam, macht drei entscheidende Trends aus: »Erstens den Trend zu Produkten, die mehr Vitalität, sprich Gesundheit, versprechen, zweitens, den Trend zu Fast Food. Unsere Großmütter haben täglich noch etwa zweieinhalb Stunden für die Essenszubereitung aufgewendet. Heute investiert der Verbraucher durchschnittlich gerade noch acht Minuten. Und, drittens, den Trend zu mehr Genuss.« 21 Gesundheitsbewusste und zahlungswillige Käufer stehen im Fokus des Unternehmens, das sich aggressiv zum Marktleader mausern will. Bei Bertolli Olivenöl ist ihm das bereits gelungen – Unilever ist der größte Olivenölhersteller der Welt und will die Marke jetzt mit einer emotionalen Aura umgeben. Bertolli soll das italienische Dolce Vita für den Verbraucher symbolisieren, die mediterrane Lebensart mit Wohlbefinden zu verbinden. Seit Olivenöl als Hauptbestandteil einer Herz-Kreislauf-schonenden Mittelmeerdiät gehandelt wird, lassen sich auch konventionelle Produkte zumindest ideell verbessern. Seit Unilever seine Margarine Brio mit Olivenöl anreichert, verkauft sie sich besser.
|34| Genuss, Wellness und unmittelbarer Nutzen – diese Kriterien müssen neue Produkte im Lebensmittelhandel erfüllen, wenn der Verbraucher sie annehmen soll. Das bestätigte auch die repräsentative Studie »Produkt des Jahres 2006«, die das Fachmagazin Lebensmittel Praxis veröffentlichte.
Dem Papier zufolge stehen Produkte, die diese Kriterien zu erfüllen versprechen, deutlich in der Gunst der Käufer. So zeigt beim Speiseeis der Wiederholungserfolg von Langnese Cremissimo & Niederegger Marzipan, dass die Kombination zweier beim Konsumenten bekannter Marken für einen zusätzlichen Verkaufsboom sorgen kann. Unilever war es durch diese Strategie gelungen, unter der Marke Cremissimo erstmals eine Wintersorte zu etablieren. Vor Jahren schon hatte Unilever Neuland betreten, als in TV-Spots Badewannennixen genüsslich ein Magnum verspeisten, während vor der Tür der Winter wütete. Von da an belächelte niemand mehr die Idee, Wintereis verkaufen zu wollen. Heute ist die cremige und nussige Verführung eine selbstverständliche saisonale Ergänzung zur fruchtig-frischen Sommerschleckerei.
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Marketing-Meals statt schlichter Mahlzeiten
Kein Einzelfall in Sachen findiger Marketingstrategien. Die Idee, die Dachmarke Freixenet um einen spritzigen Vino de Aguja – also Perlwein – zu erweitern, entpuppte sich für den Sekthersteller beispielsweise als Erfolg. Und Dr. Oetker erweiterte das Premiumsortiment seiner Backmischungen (»Nach Großmutters Back-Idee«) um kleine Kuchen für Kleinsthaushalte. Kühne wiederum setzte mit Salatfix Joghurt & Co. auf den allgemeinen Wunsch nach einer gesundheitsbewussten, leichten Ernährung.
Dass der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind und Lebensmittel dabei sogar in den Nonfood-Bereich vordringen können, demonstriert auf skurrile Weise Schwarzkopf & Henkel. Dem Unternehmen gelang sie mit Fa Duschpflege Joghurt »einer in die Jahre gekommenen Marke frisches Leben einzuhauchen«, wie die Lebensmittel |35| Praxis in einer
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