Die Joghurt-Luege
Gigant mit Forschungstruppe
»Magnum« und »Vienetta« gehören ebenso zum Sortiment wie »Dove« und »Rexona«, »Becel pro-activ« und Rama, Knorr und Pfanni, Sunil und Corall. Bis vor wenigen Jahren vertrieb der britisch-niederländische Markenartikler noch rund 1 600 Artikel und unterhielt je einen Hauptsitz in London und Rotterdam. Unilever ist in mehr als 100 Ländern der Welt tätig und beschäftigt in selbstständigen Tochterfirmen insgesamt (2004) rund 223 000 Mitarbeiter.
Unilever entstand 1929 aus dem britischen Markenseifenhersteller Lever Brothers und dem niederländischen Nahrungsmittelhersteller Margarine Unie. Von Anfang an wurde der Konzern dezentral geleitet, mit börsennotierten, jeweils eigenständig geführten Tochterunternehmen. Was kaum jemand weiß: Anders als die meisten Konzerne erwirtschaftete Unilever zu Beginn seines Bestehens einen Großteil der Gewinne in Entwicklungsländern, vor allem in Nigeria. Die Tochter United Africa Company investierte in Aktivitäten, die eigentlich nichts mit dem Kerngeschäft zu tun hatten, wie zum Beispiel in Brauereien oder den Verkauf von Fahrzeugen. Die deutsche Unilevertochter entstand wenige Monate nach der Fusion von Lever und Unie. Heute arbeiten unter dem deutschen Unileverdach rund 8 000 Menschen; die deutsche Zentrale sitzt in Hamburg. Derzeit hält der Gigant die Marktbedingungen in Europa insgesamt für schwierig, über die in Ost- und Mitteleuropa zeigt er sich erfreut. Um die Konkurrenzfähigkeit zu stützen, hatte Unilever deshalb Mitte 2005 die Preise für Produkte gesenkt; im Ergebnis nahm auch der Europaumsatz im dritten Quartal um 2 Prozent ab. Aldi, Lidl & Co. machen dem traditionellen Markenhersteller zu schaffen; der Anteil an Handelsmarken kletterte allein in den vergangenen anderthalb Jahren auf 40 Prozent. In den USA verzeichnete das Unternehmen dagegen einen Umsatzgewinn von 5 Prozent. Schätzungsweise 3 Milliarden Euro setzt allein Unilever-Deutschland um und erreicht damit beim Betriebsgewinn vor Steuern ein Plus von 6 Prozent (403 Millionen Euro), was einer Umsatzrendite von 13 Prozent entspricht. Nach einem Gewinnverlust 2004 konnte Unilever im darauf folgenden Jahr den Überschuss wieder steigern. Für 2005 weist er einen Nettogewinn |32| von 3,5 Milliarden Euro aus nach 2,9 Milliarden im Jahr davor. Damit sich am Kurs nichts ändert, greift die Konzernführung hart durch. Ihr Ziel ist es, den Umsatz des Europageschäfts um mindestens 1 bis 2 Prozent pro Jahr zu steigern.
Die Strategie: Werke schließen, Arbeitsplätze abbauen, Marken reduzieren und Werbung forcieren. Der geplante europaweite Abbau von 2 500 Arbeitsplätzen (allein in der Konzernzentrale Hamburg 350 von 1 000) soll helfen, den trägen Riesen zu flexibilisieren und den über Jahrzehnte gepflegten Wasserkopf zu trimmen. Das Stutzen reichte bis in die obersten Etagen. Nicht nur Hierarchien und Managementstruktur wurden vereinfacht, auch die bisherige Doppelspitze aus zwei Chairmen fiel. Ab jetzt führt ein einziger CEO das Geschäft, drei von bisher sieben Direktoren wurden eingespart, die gesamte Führungsebene wurde umgebaut, Positionen und ganze Geschäftsbereiche wurden gestrichen, wie im Februar 2006 unter anderem die bekannten Marken Iglo und Birds Eye. Die Konzentration auf das Kerngeschäft forderte viele Opfer. Bislang sind von den etwa 60 Marken deutscher Produktion noch rund 30 übrig geblieben, 400 sollen es konzernweit werden 18 – unverwechselbare und weltweit führende Produktnamen, die sich im Bewusstsein der Kundschaft verankern und beim nächsten Einkauf die Hand zum richtigen Regalplatz lenken sollen. Schon heute generieren die 14 wichtigsten Marken der Gruppe durchschnittlich einen Umsatz von 1,15 Milliarden Euro. Diese Stärke lässt sich der Konzern einiges kosten. Schon vor zwei Jahren hatte Unilever sein Werbebudget um 18 Prozent auf 340 Millionen Euro erhöht. Im Herbst 2005 honorierte der Gesamtverband Kommunikationsagenturen die ungewöhnliche Dove-Reklame mit einem EFFI, dem Preis für eine Produktwerbung, die, bezogen auf ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis, besonders wirkungsvoll und effizient ist. Im Gegensatz zur üblichen Kosmetikwerbung wirbt Dove mit ganz normalen Frauen. Damit sei es »gelungen, Typen statt Stereotypen auf die Plakate zu holen und die Individualität von Schönheit sichtbar zu machen« 19 , lobten die Juroren aus Industrie, Handel, Publizistik, Marktforschung und Kommunikationsbranche.
Solcher Beifall tut gut,
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