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Die Joghurt-Luege

Titel: Die Joghurt-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlad D. Georgescu , Marita Vollborn
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preisgünstiger Handelsmarken in Verbrauchermärkten und Discountern verdrängte in den vergangenen Jahren klassische Markenprodukte und erhöhte dadurch den Druck auf den traditionellen Lebensmitteleinzelhandel weiter. Es waren auch Handelsmarken – und nicht Herstellermarken – die bei den Quality Food & Drink Awards 2006 in Großbritannien die meisten Preise abräumten. Die Veranstaltung, auf der aus über 500 Handelsmarken- und Herstellermarkenprodukten im Bereich Lebensmittel und Getränke ausgewählt wurde, würdigte insgesamt 22-mal die Innovationskraft des Handels, aber nur fünfmal die der Hersteller.
    Der Trend ist international. In der weltweit angelegten Studie The Power of Private Label 2005 wurden 14 Produktbereiche mit insgesamt 80 Kategorien in 38 Ländermärkten untersucht. Das Marktforschungsinstitut ACNielsen zeigt darin, dass der Anteil der Handelsmarken im Konsumgütermarkt weiter ungebrochen zunimmt. Europa ist nach wie vor führend. Mit einem Handelsmarkenanteil von 30 Prozent liegt Deutschland nach der Schweiz, deren Handelsmarkenanteil 45 Prozent ausmacht, auf Platz 2 (siehe Tabelle 3).
    Wer die Macht hat, bestimmt den Preis. Die Marktführer des Handels diktieren, was in den Regalen stehen und wie teuer es sein darf. Wer einem Discounter die Lieferung zu dessen Konditionen verweigert, riskiert den Ausschluss seiner Ware auch aus den anderen Ketten des Mutterkonzerns. Immerhin bringen es die Top Ten des Lebensmitteleinzelhandels auf über 80 Prozent des Branchenumsatzes. Die meisten Verbraucher interessieren diese Verflechtungen und ökonomischen Zusammenhänge wenig. Günstige Preise und die »gefühlte« gute Qualität der Produkte entscheiden über |20| Kauf oder Ablehnung. Das wissen die Multis, und sie richten sich danach.
    Tabelle 3: Handelsmarken nach Marktanteil und Zuwachsrate
    Quelle: ACNielsen SA, Buchrain 6
    Jahrzehntelang ging die Hauptsache-billig-Strategie der Branche auf. Längst ist unvorstellbar geworden, dass die Menschen früher 60 Prozent ihrer Privatausgaben für Lebensmittel aufwenden mussten; heute sind es nur noch 14 Prozent. 7 Noch in jüngerer Vergangenheit forcierten auch Lebensmittelhändler die von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt getextete und von der Fachmarktkette Saturn losgetretene »Geiz ist geil«-Lawine, symptomatisch für den Zeitgeist, für Billigangebote, Rabattschlachten und preisaggressive Werbung.
    Während der allgemeine Preisindex der Lebenshaltung seit 1995 um rund 12 Prozent anstieg, scheint bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken das Ende der Fahnenstange erreicht. Seit 2000 verzeichnet die Statistik keine nennenswerte Steigerung des Preisindex |21| bei Nahrungsmitteln, ohnehin verteuerten sich diese von 1995 bis heute im Durchschnitt lediglich um rund 6 Prozent. Das einst visionäre Ziel vom billigen Essen auf Lebenszeit war damit in greifbare Nähe gerückt. Doch der Schein trügt. Was im Handel wenig kostet, fordert an anderer Stelle seinen Tribut.

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Subventionen: Hohe Kosten für billige Lebensmittel
    Zum einen subventioniert die Allgemeinheit nicht nur seit vielen Jahren die marode Landwirtschaft, sondern auch die wirtschaftlich gesunde Nahrungsmittelindustrie mit Steuergeldern. Etwa 40 Milliarden Euro geben Europas Steuerzahler alljährlich nur für Agrarsubventionen aus. Das entspricht rund der Hälfte des gesamten Etats der Europäischen Union. Allein die Milchwirtschaft wird mit 16 Milliarden Euro gestützt, das sind umgerechnet 2 Euro Subventionen pro Kuh und Tag. Informationen über die Empfänger der immensen Finanzspritzen sind für Politiker zu heikel, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nicht ohne Grund: Wenn dann und wann doch einmal publik wird, was niemand wissen soll, folgt ein Aufschrei der Entrüstung. So empörten sich die Leser der in Frankreich erscheinenden La Tribune , nachdem die Zeitung veröffentlicht hatte, dass die zwölf größten französischen Agrarbetriebe den Löwenanteil, rund 500 000 Euro pro Jahr und pro Betrieb erhalten; die beiden Giganten unter ihnen dürfen sich über zusammen 1,7 Millionen Euro Subventionen freuen. Laut einer Analyse der Nichtregierungsorganisation Oxfam bekommen in Spanien 303 »goldene Namen« knapp 400 Millionen Euro, mehr als 1,3 Millionen Euro pro Betrieb. Darunter befinden sich die sieben Spitzenverdiener mit 14,5 Millionen Euro – das ist genauso viel, wie die 12 700 kleinsten landwirtschaftlichen Betriebe zusammen erhalten.

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