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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Gestalt und in einer eindrucksvollen frackähnlichen Fantasieuniform, klappte die Trittstufe herunter, öffnete den Kutschenschlag und wünschte den »ver ehrten Herrschaften« mit sonorer, melodischer Stimme einen guten Abend, während er mit einer vieltausendfach geübten, eleganten Be wegung seinen Zylinder lüftete.
    »Nun ja . . .«, begann Byron unschlüssig.
    »Warum setzen wir uns nicht gleich zusammen und lassen uns das Essen aufs Zimmer bringen?«, schlug Harriet vor, während sie unter der Regenmarkise des Hotels aus der Droschke stiegen. »Ich habe je denfalls keine Lust, mich nach der langen Bahnfahrt erst noch fürs Abendessen im Restaurant umziehen zu müssen. Außerdem habe ich auch keinen großen Hunger. Mir reichen ein, zwei Sandwiches und eine große Tasse Melange. Aber natürlich servieren sie hier auch warmes Essen aufs Zimmer – und härtere Sachen als Kaffee mit viel Milch.« Dabei zwinkerte sie Alistair zu.
    »Gute Idee!«, sagte Horatio. »Ich bin dafür!«
    »Ist mir auch lieber«, schloss Alistair sich an und so kamen sie über ein, sich nach Erledigung der Hotelformalitäten sogleich bei Byron im Zimmer einzufinden.
    Augenblicke später betraten sie die prunkvolle, ovale Hotellobby. Dicke Teppiche dämpften die Schritte und von der Mitte der stuckverzierten Decke hing ein atemberaubender Kristalllüster mit elektrischen Kerzen herab. Der vielstufige Lüster sah wie eine auf dem Kopf stehende Pyramide aus, die aus unzähligen funkelnden Diamanten bestand. Ein ovaler Ring aus einem guten Dutzend sehr viel kleinerer derartiger Glitzerpyramiden umgab dieses Mittelstück wie Monde, die eine Sonne umkreisen. Auch fehlte es nicht an dunklem Holz, prächtigen Landschaftsgemälden an den Wänden, exquisiten Sitzmöbeln und goldgerahmten Spiegeln, in denen sich die üppigen und kunstvoll arrangierten Blumengestecke spiegelten.
    Harriet, die ein dringendes Bedürfnis verspürte, sprach den nächs ten Diener an und ließ sich von ihm den Weg zu den Toilettenräu men zeigen, während Byron mit Horatio die Halle durchquerte und auf die Rezeption zuging.
    Plötzlich bemerkte Byron, dass Alistair gar nicht an ihrer Seite war. Er blieb stehen, schaute sich nach ihm um und entdeckte ihn seitlich vom Hotelportal neben einer Marmorsäule – und zwar im Gespräch mit dem Portier. Im selben Moment erhaschte er gerade noch einen Blick darauf, wie Alistair dem Hotelbediensteten mit einem leisen Auflachen zunickte und ihm dabei einige Münzen in die Hand drück te. Die Frage, die sich Byron sofort stellte, lautete: Zum Dank für was?
    »Dreimal dürfen Sie raten, wofür er sich da gerade bedankt hat!«, sagte Horatio spöttisch, der ebenfalls stehen geblieben und Byrons Blick gefolgt war.
    »Bestimmt hat er sich nach einem Spielklub erkundigt oder wo sonst heute Nacht eine Pokerrunde steigt!«, brummte Byron missbil ligend. »Ein besseres Auskunftsbüro als den Portier eines solchen Hotels wird man auch kaum finden!«
    »Ja, Alistair wird heute Nacht nicht viel Zeit in seinem Zimmer ver bringen, darauf würde ich jetzt meine 1 000 Pfund wetten, wenn ich denn so verrückt wäre, mich auf Wetten einzulassen. Aber gut, es ist sein Geld, das er riskiert. Oder sehen Sie das anders?«
    Byron verzog das Gesicht. »Mir passt es nicht, daraus will ich keinen Hehl machen. Und natürlich wäre es mir lieber, er würde für die Dauer unseres gemeinsamen Unternehmens auf solche Extratouren verzichten. Aber weder bin ich sein Vormund noch sein Vorgesetzter, der das Recht hätte, ihm Vorschriften zu machen. Und deshalb wer de ich auch nichts dazu sagen. Ich möchte keinen Streit vom Zaun brechen.«
    »Was sehr klug sein dürfte«, pflichtete Horatio ihm trocken bei.
    Nachdem sie die Formalitäten an der Rezeption erledigt und so gleich ihre Bestellung für das Essen, das man ihnen aufs Zimmer bringen sollte, aufgegeben hatten, fuhren sie mit dem Fahrstuhl hi nauf in den dritten Stock. Der Fahrstuhlführer, ein pausbäckiger jun ger Mann, der die mit dunklem Mahagoni verkleidete Kabine mittels eines Messinghebels in Bewegung setzte, erklärte auf Alistairs Frage hin voller Stolz, dass der Fahrstuhl mit seinem Gitterschacht erst im vergangenen Jahr eingebaut worden war. Und mit dieser außeror dentlichen technischen Errungenschaft sei das Bristol auch in dieser Hinsicht das mit Abstand führende Haus am Platz.
    Ihre vier Zimmer befanden sich auf demselben Flur, lagen Tür an Tür und verfügten untereinander über doppelte

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