Die Judas-Papiere
auf Hawaii spricht man eine Sprache, die sogar mit nur zwölf Zeichen auskommt, um nur einige Beispiele zu nen nen.«
»Das ist ja recht interessant. Aber was hat das mit unserem Wien-Code zu tun?«, fragte Horatio.
»Aufschlussreich ist zum Beispiel die Häufigkeit, mit der gewisse Buchstaben in einer Sprache vorkommen«, antwortete Byron. »Das e macht in unserer Sprache fast ein Fünftel eines Textes aus. Am zweit häufigsten kommt das n vor. An dritter Stelle steht das i.«
»Aber das spricht doch für meine und Harriets Theorie, Bourke!«, sagte Alistair in der trügerischen Hoffnung, den Code damit ge knackt zu haben. »Erech taucht in dem Code mit zwölf Wiederholun gen am häufigsten auf, wie Sie gesagt haben! Das spricht doch wohl deutlich dafür, dass der Name für den Buchstaben e steht!«
Byron schüttelte den Kopf. »Das scheint nur so. Denn am zweithäu figsten im Code kommt Adam vor und nicht etwa ein Name, der mit einem n beginnt. Und ein Text aus 56 Buchstaben, in dem mit Nehe mia nur viermal ein n vorkommt, ist sehr unwahrscheinlich. Aber noch aus einem anderen Grund ist das nicht der Schlüssel: Adam und Erech sind die beiden einzigen Namen, die mit einem Vokal begin nen. O, u und i fehlen völlig als Anfangsbuchstabe. Dabei ist das i der dritthäufigste Buchstabe. Und dass dieser fehlt, sagt mir, dass wir höchstwahrscheinlich auf der falschen Fährte sind.«
Verdutzt blickte Alistair auf die Namen und sagte dann ein wenig kleinlaut: »Verdammt, da haben Sie recht! Namen mit einem i fehlen!«
»Aber kann denn nicht das J von Josef, Jered und Jakob für das i ste hen?«, wandte Harriet sogleich ein und verbarg ein Gähnen hinter vorgehaltener Hand.
»Warum hätte Mortimer Pembroke das tun sollen?«, sagte Byron. »Wenn er es uns so einfach hätte machen wollen, dass die Botschaft aus den Anfangsbuchstaben der Namen besteht, hätte er kaum auf so prächtige biblische Namen wie Isaak, Ismael und Ijob verzichtet.«
»Auch wieder wahr«, murmelte Alistair enttäuscht.
»Aber was kann dann der Schlüssel zu dem Namens-Code sein?«, sagte Horatio und hüllte sich grübelnd in blaue Tabakwolken.
»Vielleicht müssen wir die Bibel durcharbeiten und notieren, wo diese Namen zuerst auftauchen und in welchem Zusammenhang«, schlug Harriet vor. »Möglicherweise steckt der Schlüssel in diesen Bi belstellen.«
Byron machte eine skeptische Miene. »Möglich ist vieles, unter an derem auch das, Miss Chamberlain. Aber mein Gefühl sagt mir, dass Mortimer Pembroke bei diesem Code eine mathematische Kompo nente benutzt hat.«
»Und die wäre?«, wollte Alistair wissen.
Byron zuckte die Achseln. »Genau das gilt es herauszufinden!«
Im nächsten Augenblick klopfte es an die Tür. Ein Zimmerkellner brachte die bestellten Sandwiches und Getränke. Als sie wieder un ter sich waren, setzten sie ihr gemeinsames Rätselraten fort.
Gute anderthalb Stunden später waren sie jedoch noch immer kei nen Schritt weitergekommen. Und nun warf Harriet das Handtuch.
»Entschuldigt, aber mir reicht es für heute«, sagte sie, erhob sich gähnend und streckte ihren gertenschlanken Körper. »Ich habe die letzten Nächte ausgesprochen schlecht geschlafen und möchte jetzt nichts weiter als ins Bett. Machen wir morgen weiter. Dann fällt mir auch das Denken wieder leichter.«
Alistair, der schon mehrfach einen verstohlenen Blick auf seine Ta schenuhr geworfen hatte, schloss sich ihrem Vorschlag augenblick lich an. »Ja, das dürfte das Vernünftigste sein. Wir stehen ja nicht un ter Zeitdruck. Auf ein paar Stunden oder Tage mehr oder weniger kommt es uns nicht an.«
»Gut, lassen wir es für heute«, sagte Horatio, wenn auch etwas wi derstrebend. »Aber da ist noch etwas, worüber wir reden müssen, bevor wir uns trennen.«
»Und das wäre?«, fragte Alistair, der es sichtlich eilig hatte, aus By rons Zimmer zu kommen.
»Ich habe den Eindruck, dass wir einen Schatten haben«, teilte Ho ratio ihnen mit. »Jemand, der uns folgt. Und zwar schon seit wir die Fähre in Dover bestiegen haben.«
Im Gegensatz zu Harriet und Alistair zeigte sich Byron von dieser Mitteilung nicht sonderlich überrascht. Horatios Verhalten und sei ne kurze Bemerkung auf dem Bahnhof hatten ihn etwas Derartiges ahnen lassen.
»Wir werden verfolgt? Sind Sie sich dessen sicher?«, fragte Harriet, die mit einem Schlag wieder hellwach war.
»Absolut sicher bin ich mir nicht«, räumte Horatio ein. »Wie könnte ich auch? Aber ich habe vorhin auf
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