Die Judas Variante
gemütlicher
sein, sobald die Winterwinde sie wieder umtosten.
Zumindest so lange, bis neue Ritzen zwischen den Brettern klafften. Das gehörte einfach zum Leben
hier in den Bergen.
Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und schaute von der neuen Wandverkleidung
auf die im Sonnenlicht leuchtenden Berge im Westen. Hin und wieder vermisste er zwar noch die
zwischenmenschlichen Kontakte, wie er sie vor dem Krieg genossen hatte, aber er sagte sich, dass
das Leben hier draußen ihn durchaus für die fehlenden Sozialkontakte entschädigte. Er ließ den
Blick über den Himmel schweifen und sog das majestätische Panorama von Westen nach Süden nach
Osten ein...
Dann hielt er mit gerunzelter Stirn inne. Heute schwirrten aber viele Sicherheitsspäher in der
Luft herum. Wirklich viele.
Für eine Weile beobachtete er die Späher, wobei eine alte Wahrnehmung ihn im Nacken juckte. Dann
legte er den Hammer nieder, humpelte zur Vorderseite der Hütte und ging hinein. Er ging zum nach
Süden hinausgehenden Fenster - demjenigen, von dem aus man einen Blick auf die paar Häuser weiter
unten am Hang hatte - und hängte die rote Blende aus. Tobys altes Signal, mit der er seine halb
entfremdete Familie wissen ließ, dass er dringend Hilfe benötigte.
Foxleigh hoffte nur, dass irgendjemand da unten sie bald bemerkte. Vor allem hoffte er, dass
Adamson oder sein Sohn bereit wären, den Aufstieg zu ihm auf sich zu nehmen.
Denn irgendetwas braute sich östlich von hier zusammen. Und zwar etwas Großes, der Reaktion der
Sicherheit nach zu urteilen.
Vielleicht waren die Blackcollars zurückgekehrt.
Er hoffte es zumindest. Er hoffte es von ganzem Herzen. Als sie sich vor einem Jahr in Aegis
Mountain geschlichen hatten, hatte er zu lange gewartet und seine Chance vertan.
Diesmal aber nicht. Diesmal wäre er bereit für sie.
Er warf noch einen Blick auf die Späher, die am Himmel kreisten, ging nach draußen und machte
sich wieder an die Arbeit.
»General Poirot?«
Mühsam öffnete Poirot die Augen. Zwei Männer standen über ihm; ihre Gesichter erschienen als
Silhouetten vor gedämpftem Licht. »Wie fühlen Sie sich, General?«, fragte einer der Männer.
Poirot runzelte die Stirn. Das war wirklich eine gute Frage. Er hatte hämmernde Kopfschmerzen,
und der Mund war so trocken wie sonst nur nach einem ausgiebigen Schlaf. Sein Körper fühlte sich
auch schwer an, als ob er entweder zu lange oder zu wenig geschlafen hätte. Die Erinnerung kehrte
peu a peu wieder zurück: das Fiasko auf Regers Anwesen, der Blackcollar Skyler, der ihn
bewusstlos geschlagen hatte. Skyler würde dafür noch büßen, schwor er sich in einem Winkel seines
Bewusstseins.
Aber da war noch etwas anderes, das sich mit der unterschwelligen Verlegenheit und Empörung
vermengte. Eine brandneue Wahrnehmung, die er nicht richtig einzuordnen vermochte.
»Was halten Sie beispielsweise von den Ryqril?«, fragte der zweite Mann ihn.
Die Ryqril? Poirot runzelte die Stirn, als die mit offenen Schnauzen bestückten Gesichter
der Unterdrücker der Menschheit vor seinem geistigen Auge erschienen.
Er versteifte sich. Nein - das war unmöglich. Er war doch loyalitätskonditioniert. Loyalitätskonditioniert. Die Bilder und Gedanken und Gefühle, die ihn überkamen, durften
einfach nicht existieren.
Aber sie existierten dennoch.
»So ist's recht, General«, sagte der erste Mann leise. »Willkommen in Ihrer neuen Welt.«
7
Lathe hatte alle zu einem mehrstündigen Studium der Karten und Daten vergattert, die Shaw
ihnen gegeben hatte, und ihnen dann befohlen, etwas zu schlafen.
Es war später Nachmittag, als Judas aufwachte.
»Morgen, Caine«, begrüßte Spadafora ihn, als er mit einer gewichtig anmutenden Box an Judas'
Liege vorbeiging. »Oder eher Tag. Du solltest dich lieber anziehen - Shaw kommt in einer halben
Stunde, und dann fahren wir in die Deerline Mountains.«
Judas drehte sich schier der Magen um. Der echte Caine war irgendwo in diesen Bergen
versteckt.
»Aus welchem Grund fahren wir denn dahin?«, fragte er vorsichtig.
»Wie er sagt, gibt es dort ein paar Aussichtspunkte, von wo aus man einen Blick aufs
Khorstron-Zentrum hat«, rief Spadafora über die Schulter, als er in einem der Schlafzimmer des
Hauses verschwand. »Komm in die Gänge, oder du wirst hierbleiben müssen.«
Das sichere Haus verfügte über eine mit Vorräten bestückte Küche. Judas bereitete sich schnell
ein Frühstück zu und ging dann unter die Dusche. Als Shaw
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