Die Judas Variante
verkniffenen Grinsen
einen Blick auf die Anzeige. »Ich schätze, sie sind doch nicht in den Queel District
unterwegs.«
Galway sagte nichts; er hatte den Blick auch auf die Anzeigen gerichtet und verspürte eine
Vorahnung kommenden Unheils. Die Späher kreisten über der Stadt, die Verfolger klebten Shaw an
den Fersen, und die Sondereinsatzkommandos aktualisierten ständig ihre Position, um bereit zu
sein, wenn Haberdae den Zugriff befahl. Es waren genug Leute im Einsatz, sie verfügten über
Boden- und Luftunterstützung, und das Terrain begünstigte definitiv die Jäger. Theoretisch hätte
das jedenfalls eine Operation wie aus dem Lehrbuch sein müssen.
Aber keine Operation verlief jemals so, wie es im Lehrbuch stand. Es gab jedes Mal neue Variablen
und Unbekannte - Unwägbarkeiten, die die Blackcollars sich virtuos zunutze machten.
Und selbst wenn es so funktionierte, wie Haberdae es sich vorstellte - selbst wenn alle
Variablen sich zu Gunsten der Jäger auflösten -, war es immer noch möglich, dass der Abend mit
einem kläglichen Scheitern der Operation endete.
Man durfte auf keinen Fall zulassen, dass Shaw die Planung der Khorstron-Aktion von Lathe an sich
riss. In dieser Hinsicht war niemand anderer Ansicht, und schon gar nicht Galway. Jedoch hatte
Lathe seine Optionen noch nicht ausgereizt; ganz zu schweigen von den möglichen Varianten, die
Galway vielleicht durch Judas noch ins Spiel zu bringen vermochte. Und selbst wenn alle anderen
Optionen doch ausgeschöpft waren - selbst wenn Shaw sich doch noch zum Regisseur bei dieser
Inszenierung aufschwang; der Versuch, eine solche chirurgische Aktion gegen den Tactor zu starten
und Lathe und die anderen unbehelligt entkommen zu lassen, würde eine Raffinesse erfordern, die
Galway Haberdae und seinen Männern kaum zutraute.
Aber es gab nichts, was er diesbezüglich zu unternehmen vermochte. Er hatte Argumente formuliert,
Warnungen ausgesprochen und Bitten vorgetragen; doch am Ende hatte Taakh sich entschieden,
Haberdae für seinen Coup grünes Licht zu geben.
Vielleicht hätte er sich auch gar nicht darüber zu wundern brauchen, sagte Galway sich mit einem
Anflug von Bitternis. Krieger der khassq -Klasse waren nämlich für den frontalen
Kampfeinsatz trainiert und nicht für die taktische Raffinesse, die hier gefragt war. Vielleicht
lechzte er - wie Haberdae - nach einem Kampf; selbst wenn es nur ein Kampf war, bei dem die
Ryqril und der Präfekt zu bloßen Statisten degradiert wurden.
»Sie sind nach links in die Oak abgebogen«, meldete der Techniker.
»Das heißt wahrscheinlich, dass sie auch nicht das Ring Village-Viertel ansteuern«, murmelte
Haberdae. »Zu dumm. Das hätte mir nämlich einen guten Vorwand geliefert, reinzugehen und mit
dieser Schlangengrube endlich mal aufzuräumen. In Ordnung, ziehen Sie eine der Einheiten aus dem
Ring Village-Viertel ab und verlegen sie in - sagen wir...«
»Sir - ein Unfall im Viadukt in der Elften Straße!«, sagte der Techniker plötzlich. »Der Kleinbus
hat sich quer gestellt.«
»Ist er mit einem anderen Fahrzeug kollidiert?«, fragte Haberdae, schnappte sich das
Kopfbügelmikro, das er gerade erst abgenommen hatte, und setzte es sich hastig wieder auf den
Kopf. »Verfolger Eins, was zum Teufel ist da los?«
»Schicken Sie sofort einen der Späher dorthin«, befahl Galway. Er bekam plötzlich Herzklopfen und
ließ den Blick über die Konsole schweifen. Wenn sie nicht sofort die nächsten Abfangteams
dorthinschickten...
»Abbruch«, rief Haberdae unwirsch und schaute Galway finster an. »Irgendjemand ist mit ihnen
zusammengestoßen, das ist alles. Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen könnten, wäre eine Panik -
was?«, unterbrach er sich selbst und drückte gegen den Kopfhörer.
»Was ist denn?«, fragte Galway.
»Sie haben den Kleinbus verlassen, alle vier«, sagte der Techniker mit belegter Stimme. »Sie sind
jetzt auf der Treppe, die zur Elften hinaufführt.«
»Alle Einheiten dort zusammenziehen«, befahl Galway. »Sofort. Und holen Sie diesen Späher
runter.«
»Tun Sie das«, bestätigte Haberdae. Er schaute Galway wieder finster an, doch diesmal verspürte
er eine plötzliche Beklemmung. »Wie in drei Teufels Namen haben sie die Späher überhaupt
erkannt?«
»Sie sind Blackcollars - deshalb«, belehrte Galway ihn grimmig. »Wohin laufen sie?«
»Sie haben sich geteilt«, sagte Haberdae und wies auf die Konsole. »Sieht so aus, als ob Shaw und
Judas in südlicher Richtung
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