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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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unvermittelt Königin Ellinor, nun wolle sie einmal ihre Tochter eine Weile für sich haben, und schickte ohne Umschweife alle andern hinaus.
    Als sie allein waren, hieß sie Doña Leonor sich ihr gegenüber setzen, ins volle Licht der Sonne, und musterte sie. Ruhig tauchten ihre harten, sehr blauen Augen in die grünen, prüfenden der Tochter. In der prallen Sonne schien Leonor die Mutter älter und schärfer von Zügen als bisher, doch auch fürstlicher, so recht die Mutter ihres Geschlechts. Im Geiste beugte sie sich vor ihr, liebend, ehrfürchtig, und beschloß, ihr blindlings zu gehorchen.
    Die Alte, nach einer Weile, sagte anerkennend zu der Jungen: »Du hast dich gut erhalten.«
    Dann, sogleich, begann sie, von den Staats- und Familiengeschäften zu reden. Sie war hier, nicht nur um ihre Tochterzu sehen, sondern vor allem auch, um eine zweite ihrer kastilischen Enkelinnen zu vermählen. »Über den Platz, den ich für sie ausgesucht habe«, sagte sie, »wirst du nicht zu klagen haben. Der Erbprinz dieses Philipp August ist ein netter Junge, dem Vater auf erfreuliche Art unähnlich. Es war kein Osterfest, mit diesem fränkischen König den Heiratsvertrag auszuhandeln, das darf ich wohl sagen. Er hält sich für einen großen Herrscher, er träumt davon, der zweite Charlemagne zu werden, aber er hat keine Größe, er versteht sich nur auf Advokatenmätzchen; damit schmiedet man kein Reich. Immerhin hat er mir viel zu schaffen gemacht, er ist schlau und krumm wie ein Jud. Ich hab ihm schließlich die Grafschaft Evreux ablassen müssen und das Vexin, das ist ein schöner Teil meiner Normandie, dazu dreißigtausend Dukaten. Das alles geht aus meiner Tasche, Kind, du brauchst nichts zu zahlen und hast nur den Vorteil. Du wirst Schwiegermutter des künftigen Königs von Francien, dein Bruder Richard ist Herr in den Ländern, die zwischen deinem Spanien und dem Francien deiner Tochter liegen; eine Zeit wird kommen, da du, wenn du’s nur willst, deine Hand spielen lassen kannst über einen guten Teil der Welt.«
    Doña Leonor hörte verhaltenen Atems zu, wie die Mutter mit beiläufigen Worten Pläne vor ihr ausbreitete, die in solche Weite und in solche Zukunft griffen. Es war Leonor klar, daß die Mutter, als sie die normannischen Grafschaften abtrat, vor allem ihr eigenes Reich sichern wollte vor dem Zugriff des gefährlichen Philipp August für die Zeit, da ihr Lieblingssohn Richard auf seiner Kriegsfahrt war. Aber welche Gründe immer hinter diesem Ehevertrag standen, sie, Leonor – damit hatte die Mutter recht –, hatte den Vorteil davon: diese Heirat öffnete ihr einen lockenden Weg zur Macht.
    Da hatte sie sich für eine große Regentin gehalten, ihrem Alfonso weit überlegen, weil sie hartnäckig daran arbeitete, Kastilien und Aragon zu vereinigen. Aber über die Pyrenäen hinaus waren ihre Träume nie gegangen. Wie karg und armselig waren ihre Strebungen, maß sie sie an dem staatsmännischenSpiel ihrer Mutter. Die setzte Länder ein vom Westen der Welt bis weit in den Osten, Irland und Schottland und Navarra und Sizilien und das Königreich Jerusalem. Ihr Spielbrett war die Welt.
    »Ich habe mir deine Töchter angeschaut, meine Liebe«, sagte jetzt Ellinor. »Sie scheinen gut geraten, sowohl die ältere mit dem häßlichen Namen, heißt sie nicht Urraca?, als auch die jüngere. Ich habe mich noch nicht entschieden, welche wir wählen. Du wirst mir an einem der nächsten Tage beide vorstellen in großer Zeremonie. Wir müssen da wohl auch den Bischof von Beauvais zuziehen als Vertreter Philipp Augusts und seines Erben; aber das ist reine Formalität.«
    Was die Mutter sagte, bewegte Leonor. Doch tiefer in ihr war die heiße Erwartung, was ihr die Mutter über Alfonso und die Jüdin sagen werde.
    Und nun, endlich, sagte sie: »Ich hörte in meinem Turm von Salisbury allerlei über das, was du mit deinem Alfonso durchzumachen hattest. Es war nichts Genaues, und eins widersprach dem andern, aber ich konnte es mir zusammenreimen; du weißt, ich bin selber nicht ohne Erfahrung in diesen Dingen.« Sie nahm die eine Hand Leonors zwischen ihre beiden, und nun, wohl zum erstenmal, faßte sie in Worte, was sie fühlte. »Dir kann ich es ja sagen«, vertraute sie der Tochter an, »natürlich bin ich froh, daß mein Heinrich in der Erde liegt unter seiner schönen Grabschrift« – und genießerisch zitierte sie:
    »König Heinrich war ich von Engelland,
    Über ein groß Stück Welt hielt ich die Hand.
    Bedenke, der du

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