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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Infantin beizuwohnen und der alten Fürstin ihre Aufwartung zu machen. Viele dieser Prälaten, Barone, hohen Räte brachten Bediente mit, Jäger, Stallmeister. Dazu stellten sich wie bei jedem solchen Fest abenteuernde Ritter ein, arme, junge Edelleute, die sich von den Tournieren Geld und Ehre erhofften. Auch an Troubadours fehlte es nicht, an Trouvères, Conteurs; sie wußten, sie waren Doña Leonor und der Dame Ellinor stets willkommen.
    Die alte Königin erholte sich nicht erst lange von den Mühsalen der Reise, sie hielt schon am zweiten Tage Hof im großen Saale der Burg. Im Lichte vieler Kerzen saß sie auf der Estrade, auf erhöhtem Stuhl, aufrecht, damenhaft. Etwas dicklich war sie geworden, manchmal fiel ihr das Atmen schwer, sie mußte ein Hüsteln unterdrücken, und unter der Schminke, die im Lauf der Stunden abbröckelte, zeigte sich ein altes Gesicht; aber die sehr blauen, hellen Augen schauten hart und klar, und mit kräftigen, wohlüberlegten, freundlichen Worten nahm sie unermüdlich teil an der Unterhaltung.
    Der alte aragonische Graf Ramón Barbastro, der damals mit in Ellinors Heiligen Krieg gezogen war, sprach sehnsüchtig von jenen herrlichen Jahren, und klagte über die traurige Kahlheit der neuen Zeit. Der Krieg hatte seinen Adel verloren, er wurde im Rate vorbereitet und wurde mehr mit der Feder geführtals mit dem Schwert. Nicht die Tapferkeit der Ritter entschied die Schlacht, sondern die Anzahl der Routiers.
    Auch zu der Zeit, da sie und der edle Don Ramón jung gewesen seien, antwortete Ellinor, sei der Krieg nicht immer nur Glanz und prächtiges Spiel gewesen. »Wenn ich’s recht überlege«, meinte sie, »dann waren die großen, herzwärmenden Schlachten und Feiern die Ausnahme, die Regel waren die kleinen Leiden: die Märsche durch das endlose, weglose, unbekannte, gefährliche Gelände, die wunden Füße, das überhitzte Blut, der schreckliche Durst, die schlaflosen Nächte mit den giftigen Stechmücken, den juckenden Flöhen und Läusen. Und das Schlimmste: die Acedia, die grauenvolle Langeweile, die endlose Seefahrt, die wochenlangen Märsche ins Unbekannte, das quälende Warten auf die Abteilungen, die morgen kommen sollten oder übermorgen und nach einer Woche noch nicht da waren.« Sie sah die Enttäuschung ihrer Hörer und übermalte lächelnd und kundig das trübe Bild. »Freilich«, sagte sie, »war dann der Lohn um so reicher: die wilde Lust der Schlacht, die Feier in einer eroberten Stadt.« Und sie erzählte von den Festen des Morgenlandes, wie sich da christliche mit moslemischer Pracht gemischt und Gesänge der Troubadours abgewechselt hatten mit Künsten arabischer Tänzerinnen. Die Worte strömten ihr willig zu, aber noch beredter waren ihre Augen. Lächelnd dachte der alte Graf an die beiden Männer, die damals in Antiochien um ihre Gunst gekämpft hatten, der christliche König Raymond und Prinz Saladin, der Neffe und Gesandte des Sultans. »Was diesen Festen ihre Lust gab«, schloß voll sehnsüchtiger Erinnerung die alte Königin, »war, daß wir sie zwischen Schlachten feierten. Gestern war man einem seligen Tode entgangen, morgen vielleicht wird man diesen seligen Tod sterben.«
    Erzbischof Don Martín genoß mit ganzem Herzen den Anblick und die Reden der Dame Ellinor. Er war in den Monaten des langen Wartens mürrisch herumgegangen, voll hilflosen Zornes, jetzt, da diese Debora, diese Jaël, die letzten Hindernisse niederriß, die dem guten Krieg noch im Wege standen,blühte er fromm und fröhlich auf. Beschwingt ging er einher; die Rüstung, die er jetzt ständig unter seinem Priestergewand sehen ließ, drückte ihn nicht. Er nahm alle seine Courtoisie zusammen und sagte mit ungelenker, schallender Höflichkeit: »Das Heilige Land hat herrliche Taten gesehen, erhabene Frau, als du dort hinkamst, die Heiden zu zertreten, und wieder stehen ihm gute Zeiten bevor, nun dein strahlender Sohn auf dem Weg ist. Schon füllt der Ruhm deines Richard, sich mit dem deinen mengend, die Moslems mit Entsetzen. Ich habe zuverlässige Nachricht von einem Freunde, dem Bischof von Tyrus. Schon drohen arabische Mütter, wenn ihre Kinder nicht folgen wollen: ›Sei still, du Fratz, sonst kommt der König Richard, der Melek Rik, und holt dich.‹«
    Ellinor verbarg nicht ihre Freude an dem Lob ihres Lieblings Richard. »Ja, er ist ein großer Soldat«, stimmte sie bei, »ein rechter Miles Christianus. Aber leicht wird er’s im Morgenland nicht haben«, erzählte sie mit jenem

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