Die Juedin von Toledo
Meer bis an den Rhein / Ich wollte ihrer darben / Wenn nur die Königin von Engelland / Läge in meinen Armen.«
Diese Lieder und Berichte und Romanzen der Bewunderer, vermischt mit den wilden, von Verwünschungen erfüllten Versen und Erzählungen der Feinde, hatten den meisten aus Ellinor de Guienne etwas Unwirkliches gemacht, eine Gestalt der fernsten Ferne oder eines andern Zeitalters, und sogar jetzt, da sie höchst wirklich in die Stadt Burgos einzog, leibhaft, in Fleisch und Blut, umgeben von ihren Rittern, Damen, Söldnern, Pferden, Hunden, Falken und Schätzen, war es vielen der kastilischen und aragonischen Herren, als ritte sie in einer goldenen Wolke einher. Wie schal und schäbig erschien ihnen ihr Heute, maßen sie es an dem Damals dieser großen Frau. Leuchtend bei ihrem Anblick stieg ihnen empor, was sie vom Zweiten Kreuzzug gehört hatten, der in Wahrheit Königin Ellinors Kreuzzug gewesen war. Damals verließen sich Ritter und Könige nicht krämerhaft auf die Übermacht, es stak nicht Geldgier und schlaue Berechnung hinter dem Kampf, vielmehr kämpfte man nach genauen, edlen Regeln, aus schierer Lust am Kampf, und die Schlacht war nichts anderes als das Tournier, ein edles Spiel auf Leben und Tod. Vierzig Tage lang war der Vasall seinem Herrn verpflichtet, vierzig Tage kämpfte er, und war eine Burg am vierzigsten Tage nicht erobert, dann zog der Ritter ab, auch wenn Gewißheit bestand, sie am einundvierzigsten zu nehmen. Damals gab es keine Routiers, keine gemieteten Söldner aus dem Pöbel, die ohne feine Lebensart nur für den Sieg kämpften. Damals bezeigte man auch dem Feind Courtoisie, selbst wenn dieserdem fremden Gott anhing. Der belagernde Kalif schickte der belagerten christlichen Königin Urraca höflich seinen Leibarzt, damit er ihr in ihrer Krankheit beistehe. Und Krieg fand statt nur von Montag bis Donnerstag; Freitag, Sonnabend und Sonntag war Waffenstillstand, damit ein jeder, Moslem, Jud und Christ, ungestört seinen Ruhetag feiern konnte.
Jetzt werde, glaubten die aragonischen und kastilischen Herren, eine ähnliche große Zeit anbrechen. Im Geist der Dame Ellinor war damals der Zweite Kreuzzug geführt worden; in ihrem Geist wird jetzt hier auf der Halbinsel der Heilige Krieg geführt werden, und sie, die hispanischen Edelleute, werden Gelegenheit haben, sich als wahre Erben der Ritter des Artus und des Charlemagne zu betätigen.
Der junge König Don Pedro ging umher wie schwebend. Welche Gnade Gottes, daß er eine Enkelin dieser glorreichen Fürstin zu seiner Königin machen durfte. Voll der Seligkeit des christlichen Ritters wird er in den Krieg ziehen, ledig der Bosheit und Rachsucht gegen Don Alfonso.
Auch der Schildknappe Alazar verfiel dem Zauber der berühmten alten Königin. In Toledo hatte er manches Mal hämische Blicke in seinem Rücken zu spüren geglaubt, und als der König ihn nach Burgos mitnahm, hatte er gefürchtet, Doña Leonor werde ihn seine verfängliche Verwandtschaft entgelten lassen. Aber sie war von höchster Milde und Freundlichkeit, der König behandelte ihn wie einen jüngeren Bruder, und in Gegenwart der großen Frau Ellinor schmolzen ihm die letzten Zweifel. Die edeln Damen fanden ihn wert, des Königs Don Alfonso Schildknappe zu sein, er war aufgenommen in die christlich ritterliche Welt.
Die ganze Stadt Burgos feierte den Besuch der alten Königin; Tausende waren gekommen, an der Feier teilzunehmen oder aus der festlichen Ansammlung Nutzen zu ziehen. Wirte machten fliegende Schenken auf, Händler boten kostbare Weine und Gewürze an. Die offenen Bogen und Gewölbe, die Fenestrae, in welchen die Kaufleute ihre Waren feilhielten, zeigten Putz und Schmuck aus flämischen, levantinischen,moslemischen Ländern. Pferdehändler und Waffenschmiede machten Geschäfte. Bänker und Wechsler waren da, die Güter der Ritter, die in den Krieg zogen, zu kaufen oder zu beleihen. Und ein Meer von Zirkusvolk war da, Amuletthändler, Huren, Taschendiebe. Das alles lärmte, feilschte, liebelte und liebte, lief in die Kirchen und in die Schenken, war fromm, frech, gutartig, brutal, spreizte sich bunt fröhlich, stank, machte Kinder, sang Hymnen und Sauflieder, freute sich des Lebens, verfluchte den Kalifen und den Sultan und rühmte die glorreiche Königin Ellinor.
Auch bei Hofe hatten die Kämmerer schwere Arbeit, die Gäste geziemend unterzubringen und zu verköstigen, die von überallher aus Kastilien und Aragon kamen, der Vermählung Don Pedros und der
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