Die Juedin von Toledo
Freimut, den nur sie sich erlaubte. »Ich denke da nicht an den Feind, an den Sultan, ich denke an den Bundesgenossen meines Richard, an unsern lieben Verwandten, den Allerchristlichsten König von Francien. Glanz und Freude sind dessen Sache nicht, er möchte den Krieg so billig wie möglich haben, unser guter Philipp August, er ist ein wenig schäbig, rundheraus. Jetzt möchte er dem Kreuzheer die Damen und Troubadours verbieten. Aber da wird er kein Glück haben bei meinem Richard. Der liebt nun einmal Buntheit und Lärm, das hat er vom Vater, vielleicht ein wenig auch von der Mutter. Wie soll man denn einen Kreuzzug führen ohne Damen und ohne Troubadours? Eines habt ihr uns voraus hier auf der Halbinsel«, wandte sie sich an Alfonso und Pedro. »Ihr müßt nicht wie wir, bevor ihr an den Feind herankommt, die lange, langweilige Meerfahrt überstehen, ihr müßt nicht hundert krumme Verhandlungen führen mit tückischen Griechen und anderm christlichen Gesindel. Der Feind und die Beute liegen greifbar nahe vor euch: Córdova, Sevilla, Granada.«
Lockend vor den Augen aller stieg das Bild der wunderbarenStädte auf, der prächtigen Beute. Und im Geiste des Erzbischofs Don Martín klangen jubelnd ineinander die Namen der moslemischen Städte: Córdova, Sevilla, Granada, und die Worte des Evangeliums: »Ich bringe nicht den Frieden, sondern das Schwert. Allà máchairan.«
Doña Leonor war dem Himmel aus tiefstem Herzen dankbar für den Besuch Ellinors. Sie hatte des Vaters Staatsklugheit bewundert, sein kriegerisches Genie, sie hatte ihn wohl auch ein wenig beneidet um der Bedenkenlosigkeit willen, mit der er seinen Leidenschaften frönte. Die Mutter aber liebte sie über alle Bewunderung hinaus, und die Vorstellung, wie die überaus lebendige, immer nach neuen Taten gierige Frau in Mauern eingeschlossen lag, hatte sie oft und bitter gequält. Als gar diese wüste Liebesverwirrung über Alfonso gekommen war, hatte sie sich brennend danach gesehnt, Ellinor ihren Jammer zu klagen, die Tochter der Mutter, die Königin der Königin, die Gekränkte der Gekränkten, und sich Rats bei ihr zu holen. Nun war Alfonso zwar zu ihr zurückgekehrt, ausgefüllt, wie es schien, von Begeisterung für den Feldzug, und hatte wohl die Jüdin vergessen. Aber wenn auch Leonor ehrlich gewillt war, Alfonsos Betrug und Wortbruch zu verzeihen, so hatten sich ihr doch Erfahrung, Erkenntnis, Enttäuschung zu tief eingebrannt, als daß sie der neuen Verbundenheit getraut hätte, und sie war beglückt, daß sie nun mit der Mutter ihre Hoffnungen und Ängste bereden konnte.
Als Ellinor vom Pferde stieg, als Leonor ihr die Hand küßte, als die alten Lippen der Mutter ihre eigenen jungen berührten, spürte sie leibhaft die tiefe Gemeinschaft. Scharf und hart mit einemmal stand vor ihr lang Versunkenes, Menschen und Begebenheiten, welche sie als Kind gesehen und erlebt hatte in Domfront oder an dem üppigen Hof ihrer Mutter in Poitiers oder auch im Kloster Fontevrault, wo sie heiter und sehr weltlich erzogen worden war. Da war ihre Hofmeisterin, die Dame Agnes von Fronsac. Leonor hatte sie bedrängt, ihr von den Geliebten ihres Vaters Heinrich zu erzählen, und schließlich hatte die Dame Agnes willfahrt;und dann hatte das Kind Leonor verlangt, man solle diese Dame Agnes wegschicken, sie habe ihr, der Prinzessin Leonor, nicht genügend Ehrerbietung bezeigt. Und überaus deutlich vor sich sah sie jene hölzerne Statue des heiligen Georg im Schlosse Domfront. Wenn die Abendsonne auf ihn schien, schaute er besonders drohend aus, und Leonor hatte sich oft vor ihm gefürchtet. Aber mehr noch hatte sie ihn geliebt; es war gut, sich von einem so starken Heiligen beschützt zu wissen, vor allem, da ihr Vater so selten da war. Sie hatte diesen heiligen Georg lebendig gemacht, hatte ihn sich gerettet aus dem Lande ihrer Jugend, da stand er neben ihr und hieß Alfonso. Sie hatten ihn ihr stehlen wollen, die Juden, der Satan oder wer immer. Aber sie hatte sich ihn nicht stehlen lassen. Noch war sie nicht sicher, noch waren die Feinde am Werk, aber hier hatte sie ihn, hier an ihrer Seite, und auch ihre Mutter hatte sie hier, und mit deren Hilfe wird sie die Jüdin für immer vertreiben.
Allein es dauerte eine Weile, ehe sie mit der Mutter reden konnte. Die Geschäfte der Ankunft und der Einrichtung, der Hofhaltung und Repräsentation nahmen die ganzen beiden ersten Tage in Anspruch. Endlich, am dritten Tage, inmitten einer großen Versammlung, sagte
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