Die Juedin von Toledo
dieses liest,
Wie klein zuletzt der Größte ist.
Ich kriegte der Erde nie genug,
Jetzt hab ich hier zweimal sieben Schuch.
Er liegt gut dort in seinen zweimal sieben Schuch. Trotzdem wünsche ich, die Erde möge ihm leicht sein. Es ist mir leid um ihn. Ich hab ihm nach dem Leben getrachtet, mehrere Male; einmal wär es mir um ein Haar geglückt, und erwäre hingewesen. Er hat recht gehabt, als er mich einsperrte; ich hätte es an seiner Stelle ebenso gemacht. Ich habe ihn sehr geliebt. Er war der einzige Mann, den ich liebte. Außer einem. Außer zweien. Er war der gescheiteste Mann der Christenheit. Er hatte Vernunft genug, seine Leidenschaft manchmal durchgehen zu lassen. Denn wie soll man sonst leben?« meinte sie duldsam und weise. »Andernteils hat freilich auch meine Freundin recht, die Äbtissin Konstanze: die irdische Liebe ist ein Honiglecken an Dornen.«
Doña Leonor, unvermittelt, sagte: »Mutter, was soll ich mit der Jüdin tun?« Die alte Königin schaute hoch. Lächelnd, fast gemütlich riet sie: »Warte ab, bis die Zeit reif ist, kleine Tochter, ehe du sie aus dem Weg schaffst. Ich habe viel leiden müssen, weil ich nicht warten konnte. Wahrscheinlich wird er sie ohnehin vergessen im Krieg.«
Doña Leonor sagte: »Er hat ein Kind von ihr, einen Sohn.« Sie sprach leise, hilflos.
Die alte Königin überlegte sachlich: »Dem Kind würde ich nichts tun an deiner Stelle. Sie hängen an ihren Bastarden, mehr als an den Müttern. Sogar mein Richard, dem weiß Gott nichts liegt an seinen Weibern, seine Bastarde hat er gern. Heinrich muß ihrer eine Menge gehabt haben. Zwei kenne ich, einen William und einen Geoffrey. Dieser Geoffrey ist ehrgeizig und schielt nach dem Thron. Ich muß ihn an der Leine halten, solang Richard außer Landes ist. Aber er ist ein netter Mensch und tüchtig. Ich hab ihn zum Bischof von York gemacht.«
Leonor sagte: »Ich habe sehr gelitten. Ich hoffe, du hast recht und der Krieg spült sie vollends aus seinem Blut. Aber wer will das wissen? Er hat mir bei seiner Seele geschworen, er werde sie lassen, und kaum hatte er Burgos hinter sich, lief er zu ihr zurück.«
Ellinor sagte: »Kein Feind hat’s mir so schwer gemacht wie dein Vater Heinrich, und er hat mich doch geliebt und ich ihn. Und dein Vater hat seine Söhne geliebt, und sie haben ihn gehaßt, weil er größer war als sie, und er hat sie verzogen,und sie haben ihm mehr Leid zugefügt als er mir, und sicherlich mehr als dir dein Alfonso. Und er hat ihnen verziehen wieder und wieder, und sie haben ihn verlacht und sich von neuem gegen ihn empört. Er hat, als ich noch mit ihm lebte, in Manchester drei Wände unseres Schlafzimmers mit Fresken bemalen lassen, die vierte blieb leer. Als ich jetzt Manchester wiedersah, war auch die vierte Wand bemalt. Da ist zu sehen ein großer, alter Adler mit vier Jungen. Zwei reißen mit ihren Schnäbeln Wunden in seine Flügel, der dritte schlägt ihm die Krallen in die Brust, der vierte hockt ihm auf dem Hals und haut nach seinen Augen.«
Sie hustete, vor Leonor unterdrückte sie den Husten nicht, der sie in den letzten Jahren quälte. Sie schloß die Augen, sie war auf einmal eine alte Frau. Mit geschlossenen Augen und seltsam gleichmäßiger Stimme, als leierte sie ein Gebet, meditierte sie: »Mit Louis habe ich nur Töchter gehabt, das schien mir ein Unglück. Mit Heinrich hatte ich Söhne, aber ob es ein Glück war, weiß ich nicht. Söhne machen Sorgen, wenn sie gut und wenn sie schlecht geraten. Keine Mutter möchte sie sanft haben, ich möchte keinen Heiligen zum Sohn. Doch wenn sie Helden sind, dann schlagen sie um sich, und die andern schlagen nach ihnen, und so soll es wohl auch sein, und sie kommen einem um. Die ersten zweie sind mir umgekommen, und mein dritter Nestling, dein Bruder Richard, macht mir das Herz schwer. Er ist ein lieber Sohn, aber er haust wild, und es ist keine Nacht mehr, da ich nicht schlaflos liege, weil ich Sorgen um ihn habe.«
Sie riß sich zusammen. »Komm näher«, sagte sie, »ganz nahe!« Und mit wilder Vertraulichkeit, leise, befahl sie: »Auf keinen Fall darfst du etwas tun, bevor Alfonso tief verstrickt in seinen Krieg ist. Sowie er im Feld steht, tu, was naheliegt. Geh nach Toledo, übernimm die Regentschaft. Die Moslems sind zähe Feinde, dein Alfonso wird nicht nur Siege erleben. Jedes Unglück hat sein Glück, jede Niederlage bietet Möglichkeiten. Da beschuldigt der General den Minister, der Bischof den General, der Christ den Juden,
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