Die Juedin von Toledo
jeder ist jedem einVerräter, vielen wird dein jüdischer Escrivano der Schuldige und Verräter sein. Du wirst ihn natürlich verteidigen. Du wirst dich decken vor Alfonso und vor der Welt. Du wirst dich mühen, dem Zorn des Volkes Einhalt zu tun. Aber wer kann das? In solchen Tagen läßt es sich nicht verhüten, daß da und dort Gewalt über das Gesetz siegt, und viele kommen um, Verdächtige und die einem Verdächtigen nahestehen.«
Doña Leonor trank jedes der leisen, harten Worte ein. »Warten«, sagte sie vor sich hin, »warten«, und es war nicht klar, ob sie klagte oder ob sie sich einen Befehl gab. »Ja, warten!« befahl scharf die Mutter. Und: »Geh nach Toledo!« befahl sie. »Das ist eine gute Stadt, und die weiß, wie man mit Feinden umgeht. Schon die alten Könige von Toledo haben es verstanden, die rechte Nacht abzuwarten, bevor sie die Köpfe springen ließen. Una Noche Toledana, eine Toledanische Nacht, sagen sie auch bei uns. Warte ab, und decke dich gut.«
Sie hustete, das leise, scharfe Sprechen strengte sie an. Sie lächelte, schlug um, die kalte Leidenschaft der wilden Greisin wandelte sich in die Courtoisie der Dame, und hatte sie bis jetzt provençalisch gesprochen, so ging sie jetzt ins Lateinische über. »Vielleicht«, meinte sie leichthin, »solltest du den Liebeshandel deines Alfonso einmal auch von seiner andern Seite betrachten. Er hat nämlich auch sein Gutes. Dieser dein Alfonsus Rex Castiliae ist ein großer Ritter, ein wahrer Miles Christianus, aber in der Liebe scheint er mir – nimm mir’s nicht übel – ein wenig verschlafen. Da ist es wohl ein Glück auch für dich, daß er in seinen Mannesjahren noch aufgewacht ist. Ich habe zu meiner Freude gesehen, daß du Funken geben kannst. Ich denke, was du erlebt hast, wird nicht so bald wieder Asche werden.«
Don Alfonso fühlte sich wohl in der Hauptstadt seiner Väter, in der alten, strengen, verwinkelten Burg. Er fühlte sich eins mit Doña Leonor, er hatte vergessen, daß jemals zwischen ihnen Streit gewesen war. Er wurde zum früheren Alfonso, liebenswürdig, generös, strotzend jung.
Die Galiana lag hinter ihm in Vergangenheit und Dunst. Er begriff nicht mehr, wie er es so lange in ihrem faulen, üppigen Frieden hatte aushalten können. Er dachte nur mehr an den gesegneten Krieg, den er jetzt führen wird. Wie es ihn wohl auf der Jagd, an einem heißen Tage, nach einem Bad verlangte, so jetzt sehnte er sich nach diesem Krieg. Für den Krieg war er geboren, der Krieg war sein Geschäft. Der Ruhm seines Schwagers, des Königs Richard, des Melek Rik, spornte ihn an. Ihm, Alfonso, war schon aus den kleinen Feldzügen, die er hatte führen dürfen, Ruhm entsprungen; jetzt wird, im großen Krieg, aus diesem jungen, zarten Schößling seines Ruhmes ein starker Baum werden.
Enthusiastisch, vor dem Erzbischof, erging er sich in Entwürfen seines Krieges. Sie waren wieder vertraute Freunde, Don Martín und er – hatten sie jemals Zerwürfnisse gehabt? Er berief die kriegskundigen Barone Vivar und Gomaz; seine Begeisterung machte sie erfindungsreich. Und ständig gingen Boten hin und her zwischen ihm und Nuño Perez, dem Großmeister von Calatrava, seinem vorzüglichsten General.
Ein Jammer nur, daß er nicht seinen ganzen Tag den Vorbereitungen des Krieges widmen konnte, sondern lange Stunden hindurch ödes Gewäsch anhören mußte über Wirtschaft, Werkstätten, Bürger, Bauern, Zölle, Pfänder, Stadtrechte, Darlehen. Denn leider hatten die beiden Ibn Esras recht gehabt: die vielen Händel Kastiliens mit Aragon waren in der Tat schier unlöslich verfilzt. Gewiß, über das Heiratsgut der Infantin Berengaria hatte man sich rasch geeinigt, so daß die Vermählung stattfinden konnte; aber die Abmachungen, die dem Abschluß der Allianz vorangehen mußten, bereiteten immer neue Schwierigkeiten.
Da war ihm denn der Besuch der Dame Ellinor sehr willkommen. Er hoffte, sie, die erfahrene, staatskluge, tatkräftige Fürstin, werde die Schwierigkeiten in kürzester Zeit lösen.
Freilich schuf ihm ihre Gegenwart auch einiges Mißbehagen. Ihr Gefolge ärgerte ihn, die Mesnie, die sie mitführte, dieses Pack geckenhafter Hofleute. Ließ er den Damen dasgezierte Wesen zur Not noch durchgehen, so waren ihm unverständlich und höchst widerwärtig diese Ritter, die, auf ihrem Weg in den Kreuzzug, sich die meiste Zeit in modische, überfeine Tracht kleideten; dazu trugen sie die Gesichter glatt rasiert, als wären sie Joglares,
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