Die Juedin von Toledo
Alfonso bedrängten.
»Du sagst«, fragte er, gegen seine Art zaghaft, »du habest niemals eine Frau wirklich geliebt?« Bertran schaute hoch. »So bündig möchte ich es nicht fassen«, antwortete er lächelnd, »doch ist eine Spur Wahrheit in deinem Satz.« – »Aber du hast doch herrliche Verse auf Frauen gedichtet«, wandte Alfonso ein. »Gewiß hab ich das«, erwiderte Bertran. »Ein Mann muß einer Frau schöne Dinge sagen, das verlangt die Courtoisie und manchmal auch das Herz. Ich hab den Frauen das Blaue vom Himmel herunter geschworen. Aber die Schwüre einer Liebesnacht gelten nur bis zum Morgen. Sie zu brechen, ist läßliche Sünde, das hat mir sogar mein Beichtvater zugegeben. Schließlich war es die Frau, die uns verführt hat mit dem Apfel.«
Alfonso lachte, forschte aber sogleich weiter: »Und du bist immer weggekommen über die Liebe? Über die Liebe zu jeder Frau bist du weggekommen?« Der alte Ritter merkte die Gespanntheit des andern, er sah, daß Alfonso an seinen Liebeshandel mit der Jüdin dachte, er spürte eine fast väterliche Neigung für den jungen König, der auf so naive, kindlich verkleidete Art von ihm Trost verlangte. »Ja, ich bin darüberweggekommen«, antwortete er. Er schaute ihn an, lustig freundlich, und: »Weiber!« fuhr er fort mit hochmütiger, leichtsinniger Handbewegung, »sie mögen unserm Blute nahekommen, unserer Seele bleiben sie fern. Ich sag dir was, Alfonso: das Leben eines Ritters ist ein reißender Fluß, er fließt und fließt und zerreibt alles nicht ganz Feste, alles, was nicht in die Seele gegangen ist. Jene Frauen meiner Verse, sie sind längst zerrieben, leere Erinnerungen, im Nebel verschwommen. Das ist was anderes mit einer guten Schlacht. Ihre Spürung dauert, ihre Erinnerung macht einem heiß und stark. Die Schlachten, in denen ich kämpfte, haben mir den Sinn jung gehalten.« Er lachte scherzhaft, übermütig. »Und wohl auch den Leib. Du wirst gleich sehen, was ich meine«, sagte er fröhlich und geheimnisvoll.
Er rief seinen Schildknappen heran, Papiol, der kaum jünger war, sich aber nicht minder stramm hielt als er selber, und den König aus seinen heftigen, tiefliegenden Augen lustig anfunkelnd, befahl er: »Los, Papiol, mein Knabe! Sing uns das Lied von alt und jung!«
Und Papiol, sich auf der kleinen Harfe begleitend, sang das freche, kecke Lied: »Joves es om que lo seu be engatge,
Jung ist, wer seine Burg und sein Hab verpfändet
Und glänzend auszieht zum Tournier.
Jung ist, wer ohne Geld die reichsten Gaben spendet,
Und wen die Schar der Gläubiger nicht verdrießt.
Jung ist, wer sich beim Spiel ausgibt und in den Fehden,
Und jung ist, wer sich in der Lieb nicht schont.
Alt ist, wer seine Burg niemals und nie sein Land belastet,
Wer Korn aufspeichert, Wein und Speck.
Wer, wenn er satt, sich nicht mehr traut, zu essen,
Und wenn es regnet, zag zum Mantel greift.
Alt ist, wen’s lüstet, einen Rasttag einzulegen,
Alt, wer das Spiel aufgibt, eh er’s gewann.«
Nun hatte die Wildheit seines Lebens an Bertran gezehrt, und wenn er sich auch stattlich und hochfahrend gab und fast immer in der Rüstung einherklirrte, so konnte er’s doch kaum verbergen, daß in dieser Rüstung ein etwas wackeliger Körper stak, und der und jener hätte vielleicht gelächelt über den alternden Ritter und seinen alternden Schildknappen und ihre Verse. Alfonso lächelte nicht. Er hörte und spürte den federnden Elan der Verse, die Herausforderung an die fließende Zeit, das rinnende Leben. »Dank dir, Bertran«, sagte er entzückt. »Das ist Ritterschaft, das ist Kunst!«
Das Entzücken des jungen Königs tat dem alten Bertran wohl. Hätte irgendwer auch nur mit einem Blick oder einer Geste seine Rüstigkeit bezweifelt, so hätte er ihn ausgefordert. Aber dieser Alfonso war ein Freund, ein Bruder, ihm gestand er: »Leider sind auch die kühnsten Verse kein Schutz vor dem Verfall des Leibes. Dir, Herr König, sag ich’s: der Krieg, in den ich jetzt gehe, ist mein letzter. Ich mache mir nichts vor, ich weiß: noch ein Jahr oder zweie, dann versagt mir der dumme Leib, und ein gebrechlicher Ritter ist ein Kinderspott. Ich habe schon mit dem Abt von Dalon gesprochen; wenn ich aus diesem Kriege heil zurückkomme, geh ich ins Kloster.«
Es machte den König stolz, daß ihm Bertran sein Inneres aufschloß, und es kam ihm eine Eingebung und ein Entschluß: Dieser gute Ritter und Dichter soll seine letzten Taten nicht als Kriegsmann König Richards tun.
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