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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sieht er sie, diese Armen Fräuleins. Sie nähen und weben Fäden von Gold und Seide zu Kleidern; sie selber aber sind überaus schäbig anzuschauen, Latz und Kleid löcherig, zerfetzt, die Hemden voll Schweiß und Schmutz, grobhäutig der Hals, das Gesicht blaß von Hunger und Elend. Yvain sieht sie, und sie sehen ihn, und sie senken voller Scham das Gesicht zur Erde und weinen.
    Und erheben ihre Klage:
    »Wir nähen Seide, Brokat und Putz,
    Sind aber selber halbnackt und verschmutzt.
    Das kommt: unser Lohn ist nicht genug,
    Er kauft uns weder Fleisch noch Tuch.
    Einteilen wir genau und voll Angst
    Unser täglich Brot, aber niemals langt’s,
    Des Morgens zuwenig, noch weniger zur Nacht.
    Wer von uns in der Woch zwanzig Sous macht,
    Dünkt sich eine Gräfin und Herzogin,
    Und zwanzig Sous langt nicht her und nicht hin.
    Dabei wird, wer den elenden Lohn uns bereit’t,
    Reich von unserer Arebeit,
    Und treibt uns trotzdem und hetzt immerzu
    Und läßt uns auch des Nachts keine Ruh.
    Wenn eine von uns todmüd eindöst,
    Gleich ist er da und schlägt und stößt.
    Wir haben das Elend, wir haben die Hölle,
    Wir Armen Fräuleins, wir Pauvres Pucelles.«
    Es war dem Don Rodrigue Genugtuung, daß der Dichter Chrétien de Troyes über dem Glanz und der Glorie der Ritter und Damen die Finsternis und das Elend derer nicht vergaß, die sich in der Tiefe abmühten. Die andern Hörer aber, die preux chevaliers und dames choisies, welche die Kleider trugen, die jene Pauvres Pucelles gefertigt hatten, waren erstaunt und unwillig. Was für eine närrische Anwandlung hatte da dieser tote Conteur gehabt? Wie konnte einer, der so süß und edel von erlesener Minne und heldischen Abenteuerngesungen hatte, seinen Mund derart verunreinigen? Wie konnte er Vers und Reim haben für diese armseligen Schneidermädchen? Die einen machten die Kleider, die andern trugen sie; die einen schmiedeten die Schwerter, die andern schlugen damit zu; die einen bauten die Burgen, die andern bewohnten sie: das war nun einmal so, das hatte Gott in seiner Weisheit so eingerichtet. Wenn sich diese traurigen Geschöpfe, die Pauvres Pucelles, dagegen auflehnten, dann mochte ihr Herr ihnen gut und gern die Glieder brechen.
    Wiederum war es Bertran de Born, der den Gefühlen aller Stimme gab. Die Sprache des Nordens, die Langue d’Oïl, in welcher dieser Chrétien dichtete, schien ihm ohnehin plumpes Gelalle, das milchherzige Reimgeklingel gar, das er soeben hatte hören müssen, dünkte ihm reine Tollheit. Er hatte denn auch schon während des Vortrags mehrmals hell auflachen müssen, und nun Godefroi zu Ende war, meinte er: »Ihr Herren im Norden habt ja erstaunlich viel übrig für den Pöbel und seinen Gestank. Willst du wissen, guter Meister Godefroi, wie wir hier im Süden darüber denken?« Die Damen und Herren, sich freuend auf die männliche Antwort, die Bertran dem Gewinsel des toten Chrétien sicher geben wird, baten: »Laß hören, edler Bertran!« Und: »Laß uns nicht warten! Laß hören!« drängten sie. Und: »Sing uns den Sirventés vom Vilain, mein Knabe Papiol«, befahl lachend und grimmig Bertran seinem Spielmann.
    Dieser trat vor, kühn und jugendlich, klimperte auf der kleinen Harfe und sang das Lied vom Vilain, vom Lumpigen Bürger und Bauern. Er sang:
    »Das Bürger-, Händler-, Bauernpack
    Ist nicht nach meinem Strich und Schmack,
    Ich mag es gar nicht leiden.
    Sie haben sich auf Schweinesart,
    Und ihre Art und feine Art,
    Das will sich übel reimen.
    Kriegt so ein Lump erst Geld und Gut,
    Dann packt ihn gar der Übermut
    Und macht sein Hirn verbrennen.
    Drum haltet ihm den Trog fein leer,
    Und zieht ihm ab das Hemde.
    Der Regen gerb sein schäbig Fell.
    Wer das Gelump nicht mager hält,
    Mehrt nur die Pöbelei der Welt.
    Drum wenn sich solch ein Bauernschuft,
    Ein Bürgerschuft, ein Händlerschuft
    Erdreistet und euch seinen Schein
    Vor Augen hält, brecht ihm das Bein
    Ja, brecht ihm alle Knochen!
    Dann ist die Schmach gerochen.
    Sperrt das Geziefer ins Verlies,
    In eure tiefsten Grotten,
    Und laßt sie dort verrotten!
    Laßt euch ihr Schrein nicht dauern!
    Verderben über das Geschmeiß
    Der Wuchrer, Bürger, Bauern!«
    Stürmischen Beifall riefen die Hörer dem Ritter. Das Gesindel in der Tiefe wurde wirklich zu übermütig. Die Herren, die im Begriff waren, in den Heiligen Krieg zu ziehen, dachten an die Händler und Bänker, die ihnen ihre Güter weit unterm Preis abhandelten; sie mußten darauf eingehen, weil sie aus ihren Bauern

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