Die Juedin von Toledo
langweilten den Alfonso die Versromane. Die Abenteuer dieser erfundenen Ritter schienen ihm blödsinnig, ihr Liebesgegirr und -gestöhne affektiert. Diese Geschichte aber, gegen seinen Willen, fing ihn ein. Das Verhalten des Lanzelot, so aberwitzig es war, ging ihn an, es kratzte ihn, zwang ihn, nachzudenken, sich damit auseinanderzusetzen.
Noch als er spät nachts auf seinem Bette lag, dachte er nach. Mit geschlossenen Augen lag er, zu müde, um wach zu sein, zu wach, um einzuschlafen, und er sah den Ritter Lanzelot auf seinem Karren. Plötzlich aber war Lanzelot nicht mehr auf dem Karren, er saß hier, auf seinem, Alfonsos, Bett.
»Was suchst du hier?« fragte Alfonso streitbar. »Willst du vielleicht behaupten, wir gehören zusammen?« Lanzelot nickte heftig. »Das verbitte ich mir«, herrschte Alfonso ihn an. »Ich bin nicht dein Bruder und Kamerad.« Lanzelot erwiderte nichts, aber er schaute Alfonso immerzu an, und der wußte, was der Stumme sagte. »Gewiß bist du mein Bruder und Kamerad«, sagte er, »eques ad fornacem, Ritter Ofenhocker.« Alfonso wollte kräftig erwidern, alle die zwingenden militärischen und politischen Gründe anführen, aus denen er dem Kreuzzug so lange ferngeblieben war. Mit einem Male aber wurde ihm schmerzhaft klar: das war alles Schein und falsch. Es gab einen einzigen wahren Grund, weshalb er nicht gekämpft hatte – er hatte bei Raquel bleiben wollen. Er war der Bruder und Kamerad des Lanzelot, er hatte Schimpf auf sich geladen, er hatte »sich verlegen«.
Er spürte heiße Scham.
Bald indes, mit einem süßen Schreck, merkte er, wie sich diese Hitze in eine andere wandelte, in eine sehr vertraute, verfluchte und willkommene Schwüle. Leibhaft roch er den schweren Duft der Gärten der Galiana, seine Adern klopften, kitzelnd rieselte es ihm durchs Geblüt, in ihm arbeitete süß und fein das liebe Gift Raquel.
Er suchte sich loszureißen. Atmete heftig, stieß kindisch gewalttätig den nackten Fuß gegen die Bettdecke. Dieser Lanzelot soll sich nicht mehr lange lustig machen über ihn.Der Krieg ist da, und sowie er erst im Felde ist, liegt Raquel hinter ihm und für immer. Absit! Absit! beschloß er. Es soll aus sein mit ihr! Sowie er nach Toledo zurückkommt, wird das erste sein, daß er das Söhnchen taufen läßt, und dann geht er an seine Südgrenze, nach Calatrava und nach Alarcos, und es ist aus mit Raquel.
»Dann habe ich nichts mehr mit dir zu tun, Weiberknecht, trauriger«, erklärte er heftig dem Lanzelot, »und überhaupt bist du lächerlich mit deiner kriechenden Liebe.« Aber Lanzelot war bereits verschwunden.
Sowenig Gunst Don Alfonso den Troubadours und Conteurs bezeigte, einer war unter ihnen, der ihm gefiel, ein Baron aus dem Limousinischen, Bertran de Born.
Dieser Bertran war, wiewohl er sich Vizegraf von Hautefort nannte, nicht eigentlich ein großer Herr, es unterstanden ihm nur wenige hundert Mann. Aber er war berühmt um seiner wilden Verse willen, er war hinreißend von Wesen, er hatte von frühester Jugend an Menschen bezaubert und durcheinandergewirbelt. Es hieß, er habe sich seinerzeit, ein halber Knabe noch, der Gunst der blühenden Königin Ellinor erfreut. Später dann, als Herr seiner beiden Burgen, hatte er mit Wort und Schwert an jeder Fehde teilgenommen, nicht lange prüfend, welche Sache die bessere sei, und es immer verstanden, seiner Sache viele Menschen zu gewinnen. Er war streitbar und jähzornig. Mit seinem Bruder hatte er sich über die Teilung des Erbes entzweit und ihn, obgleich des Bruders Forderungen mäßig waren, mit Versen und Waffen bekämpft. König Heinrich, der Lehnsherr, hatte eingegriffen und dem Bruder zu seinem Recht verholfen. Bertran hatte darauf durch seine Verse den jungen König Heinrich gegen den Vater aufgehetzt, bis dieser junge König vor einem Schloß Bertrans durch einen Bolzen den Tod fand. Auch weiterhin hatte Bertran die Barone des Limousin angespornt, Krieg gegen ihren König zu führen, den alten Heinrich, und Krieg auch untereinander; seine Hand war gegen alle, die Hand aller gegen ihn. Schließlich hatte derjunge Richard die Schlösser Bertrans niedergebrannt und ihn gefangengenommen. Bald aber hatten sie sich wieder ausgesöhnt, und jetzt war Bertran im Begriff, nach Sizilien zu fahren und sich dem Kreuzheer Richards anzuschließen.
Die Kunde von Bertran de Born war auch über die Pyrenäen gedrungen. Man wußte in Hispanien vor allem von seinen politischen Liedern, seinen Sirventés. Wo immer
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