Die Juedin von Toledo
nicht genug herausgeholt hatten. Wer dem Geschmeiß auf kräftige Art die Wahrheit sagte, sprach ihnen aus dem Herzen.
Don Rodrigue sah, wie die verbrecherisch hochfahrenden Verse des Bertran das unheilige Feuer der preux chevaliers noch höher schürten. Was der Mann da in gottlosem Übermut gesungen hatte, erfüllte den sanften Domherrn mit reißendem Kummer. Inmitten all seiner heiligen Betrübnis aber bedachte der Gelehrte Rodrigue, wie sich da wieder einmal die Sprache lasterhaft den bösen Trieben der Sprechenden anschmiegte und langsam aus dem sachlichen »Vilain«,aus dem Dorf- und Städtebewohner, den Lumpen und Schuft machte.
Don Alfonsos Gesicht war überstrahlt von glückhafter Erregung; die stolzen, klirrenden Verse waren ihm aus dem Herzen gesprochen. Aus diesen Versen klang der Groll des rechten Ritters gegen das Gelump der Händler und Bänker, die Wut, die er selber, Alfonso, oft gespürt hatte, wenn er mit seinem Jehuda hatte herumfeilschen und seine gute, kostbare Königszeit hatte vertun müssen. Dieser Bertran war sein Bruder.
»Höre, edler Bertran«, sagte er, »willst du nicht den Krieg an meiner Seite mitmachen? Ich gebe dir den Handschuh, und du sollst guten Teil an meiner Beute haben.« Bertran lachte sein lustiges, grimmiges Lachen. »Wie du die paar Verse belohntest, die ich dir gemacht habe«, antwortete er, »hat mir deine Großherzigkeit gezeigt, Herr König. Ich hatte vor, einen rechten Sirventés für dich zu dichten.« – »Kommst du also mit mir, Bertran?« fragte der König. »Ich bin Lehnsmann König Richards und ihm versprochen«, erwiderte Bertran. »Aber ich will die Dame Ellinor fragen.«
Er fragte. »Gehst du wieder einmal zu einem andern Herrn über?« sagte Ellinor. Sie schauten einander an mit heitern Augen, die alte Fürstin und der alte Ritter, und sie sagte: »Bleib also bei Alfonso. Ich will’s bei meinem Richard vertreten.«
Ellinor wollte Burgos nicht verlassen, bevor in einem gründlichen Kriegsplan Rechte und Pflichten der beiden Könige genau abgegrenzt waren.
Mehrmals lagen Alfonso und Pedro ihr an, ihnen ein paar Fähnlein ihrer bewährten Routiers abzugeben, ihrer Brabançons und Cottereaux. Aber Ellinor wollte davon nichts hören. »Ihr habt genug, ihr beiden Knaben«, wehrte sie ab. »Glaubt ihr, ich würde mir meine teuern Routiers halten, wenn ich sie nicht dringlich gegen meine rebellischen Barone bräuchte? Manchmal kann ich nicht schlafen, weil ich nichtweiß, wovon ich sie zahlen soll.« – »Aber ›In Chinon ist Geld‹ heißt es doch in der ganzen Christenheit«, wandte Don Alfonso ein. »Dieses dumme Sprichwort«, wies ihn Ellinor zurück, »haben die Juden meines seligen Heinrich in die Welt gesetzt, um seinen Kredit zu heben. Ich jedenfalls habe kein Geld in Chinon vorgefunden. Ich habe Schwierigkeiten gehabt, die Rechnung zu zahlen für die Beerdigung meines Heinrich. Nichts da, meine Lieben! Ein paar Soldaten müßt ihr einer alten Frau schon lassen, ihre Haut zu schützen.«
Der Kriegsplan gründete sich auf die Annahme, man könne unter Umständen den Kalifen Jakúb Almansúr dem Krieg fernhalten. Mächtige Stammeshäuptlinge an seiner Ostgrenze rebellierten; auch hieß es, es stehe nicht gut um seine Gesundheit. Zu vermuten war, er werde jeden halbwegs guten Vorwand benutzen, seine Emire im Andalús sich selber zu überlassen. Nun war da eines: der Kalif nahm, genau wie Sultan Saladin, Vertragsbruch unter keinen Umständen hin, und da war dieser lästige Waffenstillstand Alfonsos mit Sevilla. Kastilien mußte also für die erste Zeit neutral bleiben. Dagegen sollte Aragon, das durch keinen Vertrag gebunden war, schon in allernächster Zeit unter Vorwänden ins moslemische Valencia einfallen und sehr bald die Waffenhilfe Kastiliens anrufen. Griff daraufhin der Krieg schließlich auch nach Córdova und Sevilla über, dann würde man den Kalifen wahrscheinlich überzeugen können, es handle sich nicht um einen bösartigen Bruch des Waffenstillstands.
Alfonso murrte, daß dem jungen Don Pedro der Ruhm des ersten Vorstoßes zufallen sollte, wich indes den guten Gründen der alten Königin und verpflichtete sich, unter keinen Umständen gegen Córdova und Sevilla vorzugehen, ehe Aragon Waffenhilfe verlangte. Don Pedro seinesteils versprach, solche Waffenhilfe binnen längstens eines halben Jahres zu fordern und dann seine ansehnliche Heeresmacht dem Oberbefehl Don Alfonsos zu unterstellen.
Die Dame Ellinor gab sich so schnell nicht
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