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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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eine Fehde oder ein Krieg heranzog, sang man seine wilden Verse. Seine Devise: »Den Frieden halt ich ungeehrt. / Mir gilt ein einzig Recht, mein Schwert«, war bekannt wie die Bitten des Vaterunsers.
    Bertran war jetzt wohl schon um die sechzig Jahre alt, doch ritterlich und höfisch wie kaum ein zweiter. Er hatte Alfonso sogleich gefallen, und wiewohl der König manchmal Mühe hatte, Bertrans Provençalisch zu verstehen, spürte er, diese wilden Streitlieder waren aus sehr anderm Stoff als die lahmen Verse der hispanischen Sänger; sie waren elegant und gefährlich wie scharfe córdovanische Degen.
    Don Alfonso zeichnete Bertran aus, schickte ihm reiche Geschenke, verwöhnte ihn, nahm ihn in sein Jagdgefolge auf, pflegte mit ihm vertrautes Gespräch.
    Bertran hatte die Gabe, Menschen und Geschehnisse rund und leuchtend zu machen, daß man sie leibhaft vor sich sah.
    Da erzählte er etwa von dem alten König Heinrich. Mit seinem Wort malte er den toten König, die grauen, blutunterlaufenen Augen, die hohen Backenknochen, das mächtige Kinn mit dem kleinen Spitzbart, den wilden, gierigen Mund. Er war fast ein Held, König Heinrich, aber doch kein ganzer Held. Es fehlte ihm an der wahren Largesse, an der Generosität, er knauserte. Bertran war dem König zuletzt als Gefangener gegenübergestanden, er hatte keine Waffe, nichts als sein Wort, aber mit diesem seinem Wort hatte er den Sieger besiegt, daß er ihn freiließ und ihm die verbrannte Burg wieder aufbaute. Aber auch da hatte er gespart. Er war eben kein rechter König, so königlich er sich gab. Er eroberte nichts aus bloßer Lust am Erobern, sondern um zu haben und zuhalten. Immer wieder konnte man ihm an kleinen Zügen und Gesten absehen, daß er gierig war, ein Krämer. Seine Finger etwa verrieten ihn, gierige Finger, die er nicht ruhig halten konnte, er bog und streckte sie, daß sie seine Würde Lügen straften, oder aber er skribbelte und zeichnete. Er versprach vieles, er hielt auch, aber immer nur zum Teil; »Ja und Nein« hatte Bertran ihn genannt, und dieser Name wird ihm bleiben. Don Alfonso, da Bertran so erzählte, sah den Vater seiner Frau vor sich, sah ihn deutlicher, als da er ihn mit leiblichen Augen gesehen hatte.
    »Da war mein junger König Heinrich ein anderer«, erzählte Bertran weiter. »›Rassa‹ hieß ich ihn, und Rassa war er. Er lebte aus dem vollen, er verschwendete, was er hatte, die Schätze von Chinon, seine Ritter und Routiers, sich selber. Herrlich war er, Rassa war er, und darum war es eine doppelte Niedertracht des alten Königs, ihn so knappzuhalten. Warum hatte er ihn zum König gemacht, wenn er’s ihm verwehrte, wie ein König zu leben? Ja, ich hab ihn gehetzt gegen den Vater, und als er sich mit ihm versöhnte, hab ich ihn von neuem gehetzt. Er ist daran gestorben, sagen sie. Ich habe nie geglaubt, daß ein Mensch einen so höllischen Schmerz spüren kann wie ich, als mein junger König starb. Und vielleicht ist er wirklich an meinen Versen gestorben. Ich bereu es trotzdem nicht.« Er fuhr fort, leise, wild, und jetzt sprach er wohl mehr für sich: »Ich habe viele Frauen geliebt und viele verloren, und ich war wohl auch traurig, wenn ich diese verlor oder jene. Aber wirklich getrauert hab ich nur um den jungen König. Nur ihn hab ich geliebt.« Und er begann, halb singend, die Verse vor sich hin zu sprechen, die er beim Tod des jungen Königs gedichtet hatte, jenes Klagelied, von dem es hieß, nie sei einem Helden ein schöneres gesungen worden, seitdem David geklagt hatte um Jonathan. »Si tuit li dol e’lh plor e’lh marrimen«, sang er.
    »Wär’n alle Qualen, Tränen, Herzeleid,
    Der Kummer, der Verlust, die ärgste Pein,
    Die man gefühlt in dieser Zeitlichkeit,
    In eins gesammelt, schienen sie noch klein
    Vorm Tod des jungen Herrn von Engelland.«
    Don Alfonso schaute auf Bertran, wie der vor sich hin sprach, wild, versunken; über der dünnen, stark gekrümmten Nase, einer richtigen Habichtsnase, leuchteten stark die weiten, heftigen, grauen Augen. So tief aus der Brust heraus holte der Mann die klagenden Verse, daß es Alfonso war, als entstünden sie jetzt, und es bewegte den König, daß Bertran vor ihm auf solche Art sein Herz nach außen kehrte. Es trieb ihn, sein Vertrauen zu erwidern. Bertran, dieser wahre Ritter, hatte die Gabe, auszusagen, was einem Manne wirr, unausgesprochen und schier unaussprechlich durch die Brust ging; wenn einer, dann wird er Verständnis haben für die Dunkelheiten, die

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