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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Mein Schwager Richard soll mir nicht auch diesen wegnehmen. Bertran soll an meiner Seite sein und meinen Krieg singen.
    Der Domherr Don Rodrigue kam nach Burgos.
    Er war voll trüber Erregung. Don Alfonso hatte offenbar seinem Söhnchen die Taufe, die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft, vorenthalten, er hatte tödliche Schuld auf sich geladen, und er war, als er Toledo verließ, einer Aussprache ausgewichen. Er selber aber, Rodrigue, war froh darüber gewesen, er selber verspürte schimpfliche Scheu vor der Aussprache,er drückte sich von seiner Pflicht. Erst jetzt, nach Wochen, hatte er sich aufgerafft, den König aufzusuchen.
    Doch auch hier, in Burgos, mußte er’s erleben, daß Alfonso ein Zwiegespräch vermied. Und wiederum fügte er sich.
    Um sich von seinen Sorgen, seiner Reue und Scham abzulenken, trieb er mit in dem höfischen Leben von Burgos. Beobachtete mit Interesse, wie sehr sich die höfischen Manieren des Nordens verfeinert hatten. Eifrig jetzt studierten die Damen und Herren die Regeln der Courtoisie, sie debattierten die spitzfindigen Gesetze der Minne und bezeigten der Kunst der Dichter sachverständige Teilnahme.
    Bald indes erkannte er, daß das anmutig höfische Getue nichts war als leeres, verlogenes Spiel. Was die Damen und Herren in Wahrheit beschäftigte, was sie ganz ausfüllte, war der bevorstehende Krieg. Auf ihn warteten sie mit taumeliger, rauschhafter Ungeduld.
    Don Rodrigue sah es mit Trauer. Er verwies sich den Kummer. Der Krieg, den sie ersehnten, war heilig, ihre Begeisterung fromm; an ihr teilzunehmen, war Pflicht, sie zu mißbilligen, Sünde.
    Aber er konnte die fromme Entzückung nicht teilen. In ihm lebten die wunderbaren Lobpreisungen des Friedens aus dem Jesaja, aus dem Evangelium, die fanatischen Friedensreden seines Schülers Don Benjamín. Er dachte nur mit Trübsal und Schauder an den Krieg und das Elend, das er der Halbinsel bringen mußte. Er fühlte sich grausam allein inmitten des lauten, frohen Treibens, der blutdürstende Enthusiasmus dieser gepflegten, gebildeten Menschen stieß ihn ab, rief ihm ins Gedächtnis die Betrachtungen seines Freundes Musa über den Jezer Hara, den bösen Trieb.
    Vor den andern widerwärtig war ihm der Mann, dem es gegeben war, ihrer wilden, gewalttätigen Freude Stimme zu leihen, dieser Bertran de Born. Beim ersten Anblick war er ein nicht eben ansehnlicher, alternder Herr wie viele andere. Aber Don Rodrigue wußte Bescheid um sein Dichten, Trachten,Tun, und sah man näher zu, dann konnte man auch dem Gesicht des Ritters mit den wilden Augen unter den dichten Brauen ablesen, was er wirklich war: der leibgewordene Krieg. Ein klein wenig lächerlich mochte der Ritter sein, wenn er mit bemühter Strammheit schritt und ritt und stolzierte; aber das Entsetzen, das von dem Manne ausging, erstickte die Spottlust des Domherrn. Da war nichts zu lächeln. Dies war der böse Gott Mars in seiner ganzen Furchtbarkeit. So wie dieser mußten die Reiter ausgeschaut haben, die der Evangelist Johannes erblickt hatte, als ihm die letzten Dinge geoffenbart wurden.
    Dabei konnte Don Rodrigue selber sich dem Zauber der stürmischen Verse dieses Bertran kaum entziehen, der Kenner Rodrigue mußte ihm zugestehen, daß seine Kriegslieder herrlich waren, hinreißend, ziervoll in all ihrer Wildheit. Voll Trauer und Zorn nahm Rodrigue wahr, mit wieviel Kunst Gott diesen wüsten Menschen begabt hatte. Sein Zorn wuchs, als er mitansehen mußte, wie sein geliebter Alfonso ihm, Rodrigue, auswich, während er den greulichen, unbändigen Ritter nicht von der Seite ließ. Der eifersüchtige Rodrigue spürte schmerzhaft die innere Verwandtschaft der beiden, und immer blasser wurde seine Hoffnung, den König auf den rechten Weg zurückzuführen.
    Eine Freude blieb dem Domherrn inmitten seines Kummers: der Umgang mit dem Clerc Godefroi. Don Rodrigue liebte und bewunderte die Erzählungen des Chrétien de Troyes, und das Wesen des Godefroi schien ihm die seltsame, innige Frömmigkeit widerzuspiegeln, welche Chrétien seinen Geschichten einzudichten verstand. Häufig denn auch, dem Domherrn zuliebe, wählte Godefroi, wenn er aus den Werken des Chrétien vorlas, stille, abseitige Kapitel, welche die einmalige, wunderliche, dem irdisch Gemeinen abgekehrte Art des Chrétien erkennen ließen.
    So las er einmal vor vielen Hörern das Abenteuer des Ritters Yvain mit den Pauvres Pucelles, den Armen Fräuleins.
    Da gerät der Ritter Yvain in die Behausung der PauvresPucelles, da

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