Die Juedin von Toledo
seinem Volke und ließen nicht ihre Lanzen von den Hüften der Fliehenden und ihre Schwerter nicht von ihrem Nacken, ehe sie den Durst ihrer Waffen gestillt hatten im Blute der Ungläubigen und sie gezwungen, den bittern Becher des Todes bis zur Neige zu leeren.«
Auf der Höhe, für den Bruchteil eines Augenblicks, sah Alfonso zurück auf das »Gebreite der Arroyos«, sein Schlachtfeld. Staub lag darüber, in Staub war er selber und die Seinen, Staub war auf den Helmen, den Rüstungen. So dicht über dem ganzen Felde war der Staub, daß in ihm der wüste Lärm gedämpft klang, das Klirren und Schreien der Männer, das Stampfen, Trappeln und Wiehern der Pferde, das Schmettern der Trompeten. Auch der König von Kastilien mit seinen hellen Augen konnte in diesem grauen Gespinst von Hitze, Dunst und Staub nur mehr undeutlich unterscheiden,was vor sich ging. Aber er wußte, hier in diesem Staub und Geschrei verreckte sein Ruhm, verreckte Kastilien. Doch ehe er das in Worten ausdenken oder auch nur recht spüren konnte, rissen die Seinen ihn weiter.
Die Moslems mittlerweile plünderten das kastilische Lager. Sie erbeuteten Waffen, Schätze, Kriegswerkzeug, Vorräte jeder Art, auch mehrere hundert edle Jagdfalken, auch viel Kirchengerät, dazu die Galakleider, welche die Calatrava-Ritter bei der Siegesfeier hatten tragen wollen. »Die Zahl der Christen, welche von den Gläubigen erschlagen wurden«, berichtet der Chronist, »kann ich nicht nennen. Niemand konnte sie errechnen. Es waren der toten Christen so viele, daß nur Allah, der auch sie erschaffen hat, ihre Zahl weiß.«
Seit der Schlacht von Zallaka, seit einhundertundzwölf Jahren, hatten die Moslems keinen solchen Sieg auf der Halbinsel erfochten. So ungeheuer war der Schreck der Christen, daß er auch den Verteidigern von Alarcos das Herz lähmte. Schon nach wenigen Tagen übergaben sie diese stärkste Festung Kastiliens. Die Sieger aber, um den Schrecken weiterzuverbreiten, zerstörten mit ihren gewaltigen Kriegsmaschinen die Mauern und die Häuser der Stadt und Festung Alarcos bis in den Grund und bestreuten den Grund mit Salz.
Fünftes Kapitel
Wenige Tage vor der Schlacht von Alarcos waren in Toledo jene ersten achthundert Mann aragonischer Hilfstruppen angelangt, welche Don Pedro versprochen hatte. Ihr Befehlshaber meldete sich bei der Königin. Es war Gutierre de Castro.
Ja, der Castro hatte verlangt, als der erste nach Toledo geschickt zu werden. Die Castros, begründete er seine Forderung, hätten hervorragenden Anteil gehabt an der Eroberung Toledos, wovon heute noch ihr Castillo in dieser Stadt Zeugnis ablege, er wolle teilhaben auch an der Eroberung Córdovasund Sevillas. Der zögernde Don Pedro hatte dem mächtigen Vasallen die dringliche Bitte nicht abschlagen können. Da war er also in Toledo mit seinen ansehnlichen achthundert Mann und machte Doña Leonor seine Aufwartung.
Sie war tief und glücklich erstaunt. Mit fast abergläubischer Verehrung gedachte sie der weisen Mutter, die dem Castro seine Burg vorenthalten hatte, ihn zu reizen und zu locken. Sie begrüßte ihn strahlend liebenswürdig: »Ich freue mich, daß von unsern aragonischen Freunden du, Don Gutierre, der erste bist in Toledo.«
Don Gutierre stand vor ihr, gerüstet, in Haltung, wie alter Brauch es vorschrieb, mit gespreizten Beinen, beide Hände auf den Griff seines Schwertes gestützt. Der stämmige Herr rühmte sich, Abkömmling jener gotischen Fürsten zu sein, die, als die Moslems die ganze Halbinsel überschwemmten, in den Bergen Asturiens und Kantabriens ihre Unabhängigkeit bewahrt hatten. Es saß ihm denn auch auf überaus breiten Schultern der runde Schädel, wie ihn viele Bewohner jener Berge aufwiesen, die Sattelnase, die tiefliegenden Augen. So stand er und schaute nieder auf die sitzende Königin, schaute ihr unverlegen ins Gesicht, nachdenkend, was ihre Worte bedeuten mochten.
»Ich hoffe«, fuhr Doña Leonor fort, »die Entscheidung, welche die Könige in deiner Streitfrage mit Kastilien trafen, hat dich befriedigt.« Sie sah zu ihm auf, sie prüften einander mit den Augen, fast unziemlich lange. Schließlich, die Worte wägend, sagte mit seiner etwas quäkenden Stimme Don Gutierre: »Mein Bruder Fernán de Castro war ein großer Ritter und Held, meine Seele hing an ihm. Keine Buße ersetzt ihn mir, und schon gar nicht ersetzt ihn mir das Geld, das man mir zahlte. Als ich das Kreuz nahm, schwor ich, allen Haß aus meinem Herzen zu reißen, und so will ich’s
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