Die Juedin von Toledo
wollen totschlagen. Sie bedrohen die christlichen Araber. Sie bedrohen die Juden.«
In ihrem Innersten hatte Doña Leonor darauf gewartet, dergleichen zu hören, vielleicht hatte sie sich danach gesehnt. Sie antwortete: »Ich werde tun, was ich kann, Toledo ruhig zu halten.«
Don Ephraim, der Párnas der Aljama, saß in schwerer Sorge. Der Sieg von Alarcos öffnete dem Kalifen die Straßen der Halbinsel. Toledo lag den Moslems preisgegeben, die die Juden aus Córdova und Sevilla ausgetrieben hatten. Seit den Zeiten der Gotenkönige war kein solches Unheil über die Juden des Sepharad gekommen.
Und was wird die nächste Zukunft bringen? Wüste Gerüchte gingen um in Toledo. Niemals, hieß es, hätte das glänzende christliche Heer geschlagen werden können, wäre nicht Tücke und Verräterei am Werk gewesen. Der Jude, der Freund des Emirs von Sevilla, hatte mit den Moslems gezettelt, ihnen die Kriegspläne der Christen verraten, die Stärke der einzelnen Heeresgruppen, die Stellungen. Der König hatte sich nicht losgemacht aus den Schlingen der Jüdin, die eine Abgesandte des Teufels war, und nun hatte die Strafe des Himmels ihn erreicht, ihn und das Land.
In der Judería drückten sich die Menschen noch enger aneinander als sonst. Die Juden, die außerhalb lebten, drängten herein in den Schutz ihrer festen Mauern. Schwere Angst lag über der Aljama.
Don Ephraim bat die Königin um gnädiges Gehör. Die waffenfähigen Bürger waren aufgerufen worden, die Mauern der Stadt zu verteidigen. Don Ephraim bat, es möge der Aljama erlaubt sein, die fünfzehnhundert Mann, über die sie noch verfüge, zur Verteidigung der Judería zurückzuhalten. Er führte aus, die große Anzahl der jüdischen Soldaten, die in der Schlacht vor Alarcos gefallen seien, beweise die Bereitschaft der Juden von Toledo, das Leben für den König zu opfern.Nun aber sei die Aljama bedroht von solchen, die sich durch unsinnige Gerüchte hätten aufhetzen lassen, und benötige dringend ihre Männer und ihre Waffen.
Hinter Doña Leonors hoher Stirn jagten sich die Gedanken. Der einmalige, ersehnte Tag war da; jetzt galt es, vorsichtig zu sein, anzudeuten, doch sich nicht preiszugeben.
Das Volk von Toledo, antwortete sie, erblicke in dem unseligen Ausgang der Schlacht eine Strafe Gottes und suche nach den Schuldigen. Niemand verdächtige die Männer der Aljama, die bekannt seien als treue Freunde des Königs. Nichts aber wisse man von den Fremden, von jenen fränkischen Flüchtlingen, welche der König Unser Herr in übergroßer Güte ins Land gelassen habe, und mit unguten Augen schaue man auf den Mann, der den schlechten Rat erteilt habe, auf den Escrivano Don Jehuda Ibn Esra. Überdies sei Don Jehuda bei all seinen Verdiensten ein stolzer, um nicht zu sagen hoffärtiger Herr, und sein Glanz in währendem Heiligem Krieg entfache den Zorn vieler einfacher Bürger. Das müsse ein so kluger Mann wie der Vorstand der Aljama verstehen.
Den Párnas verdroß es, daß die Königin den Mann verleugnete, der, von ihr selber gerufen, dem Lande Segen gebracht hatte. »Du rätst uns, Frau Königin«, fragte er behutsam, »uns loszusagen von Don Jehuda Ibn Esra?« – »Nicht doch, Don Ephraim«, antwortete schnell Doña Leonor. »Ich versuche nur, zu ergründen, gegen welche unter den Juden sich der Unmut des Volkes richtet.« – »Verzeih, Frau Königin, dem lästigen Frager«, bestand Don Ephraim, »aber ich möchte deine Majestät in dieser wichtigen Sache nicht mißverstehen. Geht deine Meinung dahin, daß wir uns trennen sollen von Don Jehuda?« Die Königin, frostig, unverbindlich, erwiderte: »Eure Gefahr scheint mir gering, und wäre nicht Don Jehuda, dann wäre auch nicht der Schatten einer Gefahr.« Und nach einem etwas peinlichen Schweigen, mit leiser Ungeduld, schloß sie: »Sei dem, wie ihm sei, Don Ephraim, verwende du deine waffenfähigen Männer zumSchutz der Judería oder zum Schutze Toledos; ich überlasse es deinem Gutdünken.« Ephraim verneigte sich tief und ging.
Er ging zu Jehuda.
»Es tut mir leid, Don Jehuda«, begann er, »dich noch im Castillo Ibn Esra vorzufinden. Es gibt schwerlich einen Ort, der dir heute weniger Schutz böte.« Sie wollen mich aus den Mauern haben, dachte Jehuda bitter, sie wollen mich los sein, und mit spöttischer Höflichkeit erwiderte er: »Seit deiner ersten gütigen Warnung habe ich mehrmals bedacht, ob ich mich nicht mit meiner Tochter und meinem Freunde Musa aus dem Lande machen sollte. Aber der
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