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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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halten und will dem König von Kastilien gehorchen, nach dem Auftrag meines Herrn von Aragon. Aber ich sag’s dir offen, Frau Königin, leicht fällt mir das nicht. Es kränkt mich, unter den ersten Dienern Don Alfonsos einen Mann zu wissen, der denSpeichel nicht wert ist, den ich ihm ins Gesicht spucken möchte, und der sich spreizt in der Burg meiner Väter.«
    Doña Leonor, die grünen Augen immer voll auf ihm, erwiderte sanft, entschuldigend: »Die Könige haben reiflich beraten, ehe sie sich entschlossen, dem Manne das Castillo zu lassen.« Und sie erläuterte: »Kriege, edler Don Gutierre, können heute nicht mehr geführt werden wie in den Tagen der Väter. Ein Krieg erfordert viel Geld, es zu beschaffen viel List, manchmal böse List, und der Mann, von dem du sprichst, verfügt über solche List. Glaub mir, mein lieber, edler Don Gutierre, ich verstehe deine Gefühle, ich fühl es mit, wenn es dich kränkt, daß dieser Mann in deinem Castillo sitzt.« Sie sah seine aufmerksamen, erwartungsvollen Augen. Jetzt laß ich den Fraß vor dem Falken baumeln, dachte sie, und langsam schloß sie: »Wenn erst der Krieg recht im Gange ist, dann wird man den Mann und seine List kaum mehr nötig haben.«
    Er fragte nach ihren Aufträgen. »Vorläufig wird es gut sein«, sagte sie, »wenn du mit deinen Leuten hier in Toledo bleibst. Ich werde dem König von deiner Ankunft berichten und seine Weisung einholen. Wenn es nach mir geht, dann bleibt ihr hier. Die Stadt ist von Truppen entblößt, und es wäre mir Beruhigung, gute Männer hier zu wissen, denen ich vertraue.« Don Gutierre verneigte sich tiefer, als er’s gewohnt war. »Ich danke dir für deine gnädigen Worte, Dame«, sagte er.
    Er verabschiedete sich voll Verehrung und hohen Mutes. Diese Doña Leonor war in Wahrheit eine große Königin.
    Triumphierend ritt er durch die engen, steilen Gassen Toledos, ein geehrter Gast und Held in der Stadt, aus der er verbannt worden war, und oft in dieser heißen Sommerwoche, mit Augen des Hasses und der Hoffnung, ritt er vorbei am Castillo de Castro.
    Es kam der Tag, da schon am frühen Morgen alle Glocken läuteten in Toledo, der Tag der großen Schlacht. Und es kam die Nacht, und noch in der Nacht finstere, verworrene Gerüchte, die Schlacht sei verloren. Und es kam der nächste Morgen und mit ihm erschreckte Flüchtlinge aus dem Süden,immer mehr, und aus den Teilen Toledos, die außerhalb der Mauern lagen, drängte es herein in die überfüllte Stadt, und es häuften sich die schauerlichen Nachrichten. Der Ordensmeister von Calatrava erschlagen, der Erzbischof schwer verletzt, achttausend Calatrava-Ritter erschlagen, über zehntausend andere Ritter, Fußvolk unzähliges.
    Doña Leonor wahrte Ruhe. Die Gerüchte waren Wahnwitz. So konnte es nicht sein. So durfte es nicht sein. So hatte sie sich die Niederlage nicht gedacht.
    Don Rodrigue, unter den Kronräten der einzige, der in Toledo geblieben war, kam zu ihr, das magere Gesicht verbissen in Leid und Wut. Sie mühte sich, ihn gelassen zu empfangen. »Man berichtet mir«, sagte sie, »der König Unser Herr habe bei seinem Ausfall aus der Festung Alarcos schwere Verluste erlitten. Hast du genauere Nachricht, Hochwürdiger?« – »Wach auf, Frau Königin!« rief Rodrigue sie an, zürnend. »Don Alfonso hat eine große Schlacht verloren. Der Feldzug ist verspielt, bevor er anfing. Die Blüte der kastilischen Ritterschaft ist hin. Der Großmeister von Calatrava ist tot, der Erzbischof von Toledo schwer verwundet, der weitaus größte Teil der Barone und Ritter liegt erschlagen auf dem ›Gebreite der Arroyos‹. Was die christlichen Könige dieser Halbinsel in hundert Jahren mit einem Meer von Schweiß und Blut erkämpft haben, wurde an einem einzigen Tage vertan um einer ritterlichen Laune willen.«
    Die Königin war erblaßt. Mit einem Male erkannte sie: so war es. Aber sie wollte es vor diesem nicht wahrhaben; sie wurde Fürstin ganz und gar. »Du vergißt dich, Don Rodrigue«, wies sie ihn zurecht. »Aber ich begreife deinen Kummer und will nicht mit dir rechten. Sag mir lieber: was soll ich tun, was kann ich tun?«
    Rodrigue sagte: »Die Kriegskundigen nehmen an, Don Alfonso werde Calatrava eine kleine Weile halten. Laß es deine Sorge sein, Frau Königin, in dieser Zeit Toledo vorzubereiten für die Belagerung. Du bist klug und bewährt in Dingen der Verwaltung. Halte die Stadt ruhig. Sie fließt über von Flüchtlingenund Verzweifelten. Sie wollen um sich schlagen,

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