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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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auf Pergament schreiben, auf Tierhaut, und nicht nur war die Mühe des Schreibens viel größer, es war auch das Material kostbar und spärlich. Oft mußten die Schreiber schon beschriebenes Pergament hernehmen, sie mußten, was die Früheren mit viel Mühe geschrieben hatten, mit viel Mühe wieder auslöschen und auskratzen, um ihre eigenen Gedanken auf dem alten Stoff niederzulegen, und wer mochte wissen, ob da nicht ein wohlmeinender Schreiber von heute edelste Weisheit eines Früheren austilgte, um seine eigenen, vielleicht sehr einfältigen Gedanken den Späteren aufzubewahren.
    Don Jehuda erklärte dem Domherrn, wie dieses Papier hergestellt wurde. Mühlen bereiteten aus einem weißlichen Pflanzenstoff, Kattun genannt, einen Brei, es wurde geschöpft und getrocknet, das Ganze war keineswegs teuer. Das beste Papier wurde in Játiva hergestellt, es war sehr grobkörnig, Jatvi wurde es genannt. Don Rodrigue wog ein auf solches Jatvi geschriebenes Buch in zärtlichen Händen, kindlich staunend, wie wenig Raum und Gewicht so viel Geistiges beanspruchte. Jehuda erzählte, er habe Vorbereitungen getroffen, auch hier in Toledo Papierfabriken zu errichten, es gebe genügend Wasser, der Boden eigne sich für die notwendigen Pflanzen. Don Rodrigue war entzückt. Jehuda versprach, er werde ihm jetzt schon Papier beschaffen.
    Später saßen Don Rodrigue und der alte Musa allein in der kleinen, offenen Rundhalle und pflogen langsames Gespräch. Don Rodrigue erzählte, man habe auch in den Ländern der Christen von Musas wissenschaftlicher Leistung gehört, vor allem von dem großen historischen Werk, an dem er schreibe, und auch von den Verfolgungen, die er habe leiden müssen. Musa dankte mit höflicher Neigung des Kopfes. Er saß, der lange Herr, bequem in seinen Kissen, etwas vornübergeneigt, die großen, milden Augen schauten still und wissend. Er sprach nicht viel, doch kam das meiste aus weiter Kenntnis, reicher Erfahrung, tiefer Überlegung. Es klang neu und anregend, freilich zuweilen etwas verfänglich.
    Vieles schien verfänglich in diesem Castillo Ibn Esra. Da waren etwa unter den Inschriften, die von den Wandfriesen leuchteten, einige hebräische. Sie waren nicht leicht zu entziffern im Gestrüpp der vielen Schnörkel und Ornamente, die sie umgaben. Aber der Domherr, stolz auf sein Hebräisch, erkannte, daß sie der Heiligen Schrift entnommen waren, dem Buche Kohelet, dem Prediger Salomo. Ja, bestätigte Musa, es war so, und er nahm einen Stab, zeigte dem Domherrn, wie die Sätze inmitten der wirren Arabesken liefen, sich verloren, sich wieder fanden, zeigte und las und übertrug ins Lateinische. Es lauteten aber die Sätze: »Das Schicksal der Menschenkinder und das Schicksal des Viehes ist das gleiche. Wie dieses stirbt, so sterben jene, ihre Seele ist die gleiche, nicht besser ist der Mensch als das Vieh, und es ist alles eitel. Alles endet am gleichen Ort, alles ist aus Staub, und alles kehrt zurück zum Staub. Wer weiß, ob die Seele der Menschenkinder hinaufgeht und die Seele des Viehes hinunter unter die Erde?« Don Rodrigue verfolgte mit den Augen die hebräischen Zeichen an der Wand und sah und hörte, daß Musa getreu übersetzte. Aber klangen die Worte, wie er sie aus der Übersetzung des heiligen Hieronymus im Gedächtnis hatte, nicht anders? Nahm nicht im Munde dieses weisen und gütigen Musa selbst das Wort Gottes einen leisen Schwefelgeruch an?
    Mochte dem sein wie immer, der Mann, der die Bibliothek des Castillo Ibn Esra betreute, zog den Domherrn beinahe noch mehr an als die herrliche Bibliothek selber. Er schien ihm, dieser Musa, wie er ruhig in seinen Polstern saß, zeitlos wie die Weisheit. Bald schien er ihm kaum älter als er selber, der fünfzig war, bald uralt. Der Glanz der stillen, etwas spöttischen Augen bezauberte ihn und machte ihn befangen, und trotzdem war ihm, als könne er mit diesem Manne freieren Gemütes reden als mit den meisten schlicht-gläubigen Christen.
    Er erzählte ihm von der Akademie, deren Leiter er war. Gewiß könne sich dieses sein bescheidenes Institut nicht vergleichen mit ähnlichen der Moslems, aber es werde immerhinvon hier aus Weisheit der Araber sowohl wie der heidnischen Alten dem Abendlande vermittelt. »Glaube ja nicht, o weiser Musa«, erklärte er eifrig, »daß ich engherzig sei. Ich habe sogar den Koran ins Lateinische übersetzen lassen. Auch arbeiten an meiner Akademie manche Ungläubige, Juden wie Moslems. Wenn du es erlaubst, dann bringe ich

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