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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Krämer!«
    Jehuda war blaß geworden. Ob die Castros Don Alfonsos Vasallen waren, darum eben ging ja der Streit. Aber diese Hochmütigen hielten nun einmal Raub und Totschlag für die einzig anständige Art, Meinungsverschiedenheiten auszutragen. Am liebsten hätte er ihm gesagt: Mach deinen Feldzug, du Ritter und Narr. Die sechstausend Goldmaravedí schmeiß ich dir hin. Aber alle seine Pläne stürzten ein, wenn es zu einem Krieg mit Aragon kam. Er mußte diesen Feldzug verhüten.
    »Vielleicht«, gab er zu erwägen, »kann man die Gefangenen befreien, ohne deine königliche Würde zu gefährden. Vielleicht kann man erwirken, daß die Castros die Gefangenen an Aragon ausliefern werden. Erlaube mir, darüber zu verhandeln. Vielleicht, wenn du es mir gestattest, gehe ich selber nach Saragossa, um mit Don Joseph zu beraten. Bitte, versprich mir eines, Herr König: daß du eine Expedition gegen die Castros nicht befiehlst, bevor du mir vergönnst, nochmals mit dir darüber zu reden.«
    »Was nimmst du dir heraus!« grollte Alfonso. Aber er hatte das Unsinnige seines Vorhabens eingesehen. Leider hatte der Jude recht.
    Er nahm die Goldmünze, wog sie, beschaute sie. Hellte sich auf. »Ich verspreche nichts«, sagte er. »Aber ich werde mir überlegen, was du gesagt hast.«
    Jehuda sah, daß er mehr nicht erreichen konnte. Er nahm Urlaub und fuhr nach Aragon.
    Der Domherr Rodrigue sprach auch trotz der Abwesenheit Jehudas häufig im Castillo Ibn Esra vor. Er suchte die Gesellschaft des alten Musa.
    Da saßen die beiden in der kleinen Vorhalle, schauten hinaus in die Stille des Gartens, hörten auf den leisen, immer gleichmäßigen, immer wechselnden Fall der springenden Wasser und pflogen sachten Gespräches. Die Wände entlang, rot, blau und golden leuchtend, liefen die Friese mit den Weisheitssprüchen. Die krausen Lettern der neueren arabischen Schrift, ineinander verschlungen, umwunden von blumenartigen Ornamenten, verzogen zu Arabesken, bildeten ein buntes Gewebe, das die Wände wie ein Teppich bedeckte. Aus dem launischen Geschnörkel hoben sich ab altarabische, »kufische«, kantige Schriftzeichen und blockige hebräische, formten sich zu Sprüchen, lösten sich auf, mischten sich in andere, kehrten wieder, seltsam ruhelos, verwirrend.
    Rodrigue, durch das Dickicht der Ornamente und Arabesken, folgte jenem hebräischen Spruch, den ihm damals, bei seinem ersten Besuch, Musa übersetzt hatte: »Das Schicksal der Menschenkinder und das Schicksal des Viehes ist das gleiche … Ihre Seele ist die gleiche … Wer weiß, ob die Seele der Menschenkinder hinaufgeht und die Seele des Viehes hinunter unter die Erde?« Schon damals hatte es den Domherrn beunruhigt, daß diese Verse, wie Musa sie las, anders klangen als in der ihm vertrauten lateinischen Fassung. Nun nahm er sich ein Herz und wollte mit Musa darüber diskutieren. Aber dieser warnte freundlich: »Du solltest dich mit so gefährlichen Betrachtungen nicht abgeben, mein hochwürdiger Freund. Du weißt, daß, als Hieronymus die Bibel übersetzte, der Heilige Geist selber ihn inspiriert hat, so also, daß die Worte, welche Gott mit Mose in lateinischer Sprache tauscht, nicht minder göttlich sind als die hebräischen. Trachte nicht, allzu weise zu sein, hochwürdiger Don Rodrigue. Der Hunddes Zweifels schläft leise. Er könnte aufwachen und deine Überzeugung anbellen, und du wärest verloren. Ohnedies schon nennen viele deiner Berufsbrüder in andern christlichen Ländern unser Toledo die Stadt der Schwarzen Magie, und unsere krausen arabischen und hebräischen Zeichen scheinen ihnen Gekritzel des Satans. Sie werden dich noch einen Ketzer heißen, wenn du so neugierig bist.«
    Trotzdem kamen die stillen Augen Don Rodrigues von den verwirrenden Inschriften nicht los. Aber mehr noch als sie beunruhigte den Domherrn der Mann, der sie hatte anbringen lassen. Der alte Musa – das hatte Don Rodrigue bald erkannt – war gottlos durch und durch, glaubte nicht einmal an seinen Allah und Mohammed und war trotzdem, dieser Heide, gütig, duldsam, liebenswert. Und überdies und vor allem ein wahrer Gelehrter. Er, Rodrigue, hatte studiert, was die christliche Wissenschaft einem beibringen konnte, das Trivium und das Quadrivium, Grammatik, Dialektik und Rhetorik, Arithmetik, Musik, Geometrie und Astronomie, dazu alle erlaubte arabische Weisheit und jegliche Gottesgelahrtheit; aber Musa wußte viel mehr, er wußte alles, und über alles hatte er nachgedacht, und es blieb eine

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