Die Juedin von Toledo
gehört; war das nicht der Ort, wo jene Wasseruhr Rabbi Chanans stand? »Ich will den Palacio wiederherstellen«, fuhr Don Alfonso fort, »und so, daß das Neue nicht zu sehr absticht von dem Früheren. Dein Rat wäre mir da willkommen, Dame.«
Doña Raquel sah auf, betroffen, fast zornig. Niemals hätte ein moslemischer Herr gewagt, eine Dame so plump und verfänglich einzuladen. Aber sogleich sagte sie sich, mit den christlichen Rittern sei es wohl anders, und die Courtoisie mache sie übertriebene Sätze sprechen, die nichts bedeuteten. Sie sah Don Alfonsos Gesicht von der Seite und erschrak. Es war ein gespanntes, gieriges Gesicht. Was er gesagt hatte, war mehr als Courtoisie.
Sie zog sich scheu und gekränkt in sich zurück. Wurde ganz und gar Dame des Hauses. Höflich antwortete sie, jetzt arabisch: »Mein Vater wird sich gewiß freuen, o König, dir mit seinem Rate zu dienen.«
Don Alfonsos Stirn furchte sich jäh und tief. Was hatte er da gemacht! Er hatte die Zurückweisung verdient, er hätte sie erwarten müssen. Von Anfang an hätte er vorsichtig sein sollen;das Mädchen gehörte zu einem verfluchten Volk. Es war dieser verwünschte Garten, dieses ganze verwünschte, verwunschene Haus, das ihm solche Reden eingeblasen hatte. Er riß sich zusammen, ging etwas schneller, nach wenigen Schritten hatten sie die andern erreicht.
Sogleich wandte sich der Knabe Alazar an ihn. Er hatte erzählt von Rüstungen, deren Visier in allen Teilen beweglich war, so daß der Eisenschutz der Augen, der Nase, des Mundes nach Belieben verstellt werden konnte, und die Pagen des Königs hatten ihm nicht geglaubt. »Aber ich habe solche Rüstungen gesehen«, ereiferte er sich. »Der Waffenschmied Abdullah in Córdova stellt sie her, und der Vater hat mir versprochen, er schenkt mir eine, sowie ich zum Ritter geschlagen bin. Bestimmt hast du selber so eine Rüstung, Herr König.« Don Alfonso antwortete, er habe von solchen Rüstungen gehört. »Ich selber besitze keine«, schloß er trocken. »Dann muß mein Vater dir eine verschaffen«, sagte stürmisch Alazar. »Du wirst deine Freude daran haben«, versicherte er. »Erlaube meinem Vater, daß er dir eine verschreibt.«
Don Alfonso hellte sich auf. Er durfte den Knaben nicht entgelten lassen, daß die Schwester vorwitzig und empfindlich war. »Du siehst, Don Jehuda«, sagte er, »ich und dein Junge, wir verstehen uns gut. Willst du ihn mir nicht als Pagen auf die Burg schicken?«
Doña Raquel schien verwirrt. Auch die andern verbargen nur mit Mühe ihr Erstaunen. Alazar, beinahe stammelnd vor Freude, brach aus: »Ist es dein Ernst, Don Alfonso? Mein gnädiger Dienstherr willst du sein?« Don Jehuda aber, da ihm sein Wunsch so unerwartet erfüllt wurde, neigte sich tief und sagte: »Deine Majestät ist sehr gnädig.«
»Der König Unser Herr«, sagte am Abend des gleichen Tages Jehuda zu Raquel, »hat sich, wie mir schien, freundlich mit dir unterhalten, meine Tochter.« Doña Raquel antwortete aufrichtig: »Ich glaube, der König war zu freundlich. Er hat mir angst gemacht.« Und sie erläuterte: »Er will sein LustschloßLa Galiana restaurieren und hat mich aufgefordert, ihm dabei zu raten. Ist das nicht – ungewöhnlich, mein Vater?« – »Es ist ungewöhnlich«, antwortete Jehuda.
Wirklich wurden wenige Tage später Jehuda und Doña Raquel eingeladen, an einem Ausflug des Königs nach La Galiana teilzunehmen. Dieses Mal hatte Don Alfonso eine große Gesellschaft geladen, und er richtete bei dem Rundgang kaum je das Wort an Doña Raquel. Wohl aber stellte er zur Belustigung seiner Gäste dem täppischen, redseligen Gärtner Belardo viele Fragen.
Nach dem Rundgang wurde am Ufer des Tajo ein Mahl serviert. Gegen Ende des Mahles, auf einem Baumstumpf sitzend, mit selbstspöttischem Hochmut, verkündigte der König: »Wir herrschen nun beinahe ein Jahrhundert in diesem Toledo, Wir haben es zu Unserer Hauptstadt gemacht, gut, groß und fest und gesichert gegen die Angriffe der Ungläubigen. Es ließen Uns aber die Geschäfte der Ehre, des Glaubens und des Krieges keine Zeit für andere Dinge, die überflüssig sein mögen, aber einem König anstehen, für Dinge der Schönheit und der Pracht. Unsere Freunde aus dem Süden zum Beispiel, Unser Escrivano und seine Tochter, die Unsere Städte und Häuser mit fremden, unbefangenen Augen anschauen, haben Unser Schloß in Burgos kahl und unbequem gefunden. Es ist Uns nun in einer Stunde der Muße die Laune gekommen, hier diesen
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