Die Juedin von Toledo
Mosaiken, der Schmuck der Böden, Wände, Decken. Aber immer wieder war der Tajo eingebrochen und hatte alles überschwemmt. Ihm tue das Herz weh, wie verwahrlost das Palais sei, aber ein einzelnerkönne da nichts machen. Er war oft bei den Herren Räten des Herrn Königs vorstellig geworden, man solle restaurieren und den Fluß eindämmen, aber man hatte ihn barsch abgewiesen, dafür habe man kein Geld.
»Der Schwätzer hat recht«, sagte lateinisch Estéban zu Don Alfonso. »Der Palacio muß in der Tat ungewöhnlich schön gewesen sein. Der alte beschnittene König hat sich für seine Tochter angestrengt.«
Die gespornten Stiefel der Herren hallten mächtig über das zierliche, zerbrochene Mosaik der Böden, ihre Stimmen klangen wider von den leeren Mauern.
Don Alfonso schaute und war schweigsam. Ich darf wirklich die Galiana nicht weiter verkommen lassen, dachte er. Don Garcerán meinte: »Es wird Arbeit und Geld kosten, aber ich glaube, du könntest etwas sehr Schönes aus der Galiana machen, Don Alfonso. Bedenke nur, was dein Jude aus dem alten, häßlichen Castillo de Castro gemacht hat.«
Es war Alfonso durch den Kopf gegangen, wie dreist verwundert die Tochter des Juden gewesen war über die altertümliche Ungeschlachtheit seines Schlosses in Burgos. Don Estéban aber, die Worte Don Garceráns aufnehmend, riet: »Wenn du ernstlich vorhast, die Galiana zu restaurieren, dann mußt du dir vorher das Haus deines Juden anschauen.«
Ich habe den Juden wirklich zu unwirsch behandelt, dachte Alfonso, Don Manrique findet es auch. Ich werde es gutmachen und mir sein Haus anschauen.
»Da habt ihr vielleicht recht«, antwortete er unverbindlich.
Wie Jehuda vorausgesagt hatte, blühte Kastilien auf, während die übrige Christenheit in den Heiligen Krieg zog. Karawanen und Schiffe brachten Waren aus dem Osten in die moslemischen Länder Hispaniens, von da gingen sie nach Kastilien, von da gingen sie weiter in alle Reiche der Christenheit.
Als der Kreuzzug verkündet wurde, hatten die Barone gemäkelt und geschmäht, der Jude verhindere, daß man in den heiligen Kampf ziehe, der Jude müsse fortgejagt werden.Aber bald zeigte sich, was für ungeheuern Nutzen die Neutralität dem Lande brachte; das Murren wurde leiser, die Furcht, die geheime Achtung vor dem Juden stieg. Immer mehr Adelige warben um seine Gunst. Schon baten ein de Guzmán und ein de Lara, freilich ein armer Vetter des mächtigen Don Manrique, der jüdische Escrivano möge ihre Söhne als Pagen in sein Castillo aufnehmen.
Musa, als ihm Jehuda beiläufig und stolz erzählte, wie die Geschäfte des Landes und seine eigenen sich dehnten, beschaute den Freund mit spöttischer Anerkennung, mitleidig und amüsiert. Er muß sich regen, dachte er. Er muß gleichzeitig hundert Geschäfte treiben, es ist ihm nicht wohl, wenn er nicht Menschen und Dinge in Bewegung setzt und immer mehr Federn kritzeln macht in den Kanzleien der Könige und immer mehr Schiffe über die sieben Meere schickt und immer mehr Karawanen durch immer mehr Länder. Er macht sich vor, er tue es für den Frieden und für sein Volk, und so ist es auch, aber vor allem tut er’s doch, weil er Freude an der Macht hat und am Tun. »Ist es wichtig«, fragte er, »ob du noch mehr Macht anhäufst, ob du zweihunderttausend Goldmaravedí besitzest oder zweihundertfünfzigtausend? Dabei weißt du nicht einmal, ob nicht, während du hier sitzest und deinen Würztrank trinkst, vier Wochen entfernt ein Sandsturm deine Karawane zerstört oder die See dein Schiff.« – »Ich fürchte nicht Sandstürme, und ich fürchte nicht die See«, antwortete Jehuda. »Was ich fürchte, ist ein anderes.« Und vor dem Freunde ließ er sich gehen, ihm zeigte er seine geheime Sorge. »Ich fürchte«, sagte er, »die wilden Launen dieses Ritters und Königs Don Alfonso. Er hat mich von neuem sinnlos gekränkt, und jetzt, wenn er mich vor sich ruft, erkläre ich mich unpaß und verweigere ihm mein Antlitz. Freilich, und ich weiß es, treibe ich ein gefährliches Spiel, wenn ich mich so kostbar mache.« Musa war an sein Schreibpult getreten und kritzelte Kreise und Arabesken. »Machst du dich so kostbar, mein Jehuda«, fragte er über die Schulter, »um des Friedens willen oder aus Stolz?« – »Ich bin stolz«,antwortete Jehuda, »doch ist dieses Mal, glaube ich, mein Stolz Tugend und gute Berechnung. Tollheit und Vernunft sind in diesem König so wunderlich gemischt, daß niemand voraussagen kann, wie er zuletzt
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