Die Juedin von Toledo
Unsern vernachlässigten Palacio de Galiana wiederaufzubauen, und zwar schöner, als er früher war, auf daß die Welt sehe: Wir sind keine Bettler mehr, auch Wir können üppig bauen, wenn Uns der Sinn danach steht.« Das war eine lange und stolze Rede, wie sie Don Alfonso sonst höchstens bei Staatsakten zu halten pflegte, und die Herren, die noch vor den Resten der Mahlzeit saßen, waren erstaunt.
Der König ließ den hohen Ton fallen und wandte sich an Jehuda. »Was meinst du, mein Escrivano?« fragte er. »Du bist doch sachverständig in diesen Fragen.« – »Dein Lustschloß La Galiana«, antwortete bedächtig Don Jehuda, »liegt herrlichin der Kühle dieses Flusses und mit dem stolzen Blick auf deine hochberühmte Stadt. Ein solches Schloß wiederherzustellen, lohnte der Mühe.«
»Also stellen Wir es her«, entschied leichthin der König. »Hier ist eine Schwierigkeit«, sagte ehrerbietig Don Jehuda. »Du hast gute Soldaten, Herr König, und tüchtige Handwerker. Aber so geschickt sind deine Künstler und Handwerker noch nicht, daß sie dieses Schloß in der Art aufbauen könnten, wie es deiner Hoheit und deinem Wunsche entspricht.« Der König finsterte sich. »Hast du nicht selber«, fragte er, »ein großes Haus in sehr kurzer Zeit glanzvoll wiederaufgebaut?« – »Ich habe moslemische Baumeister und Handwerker kommen lassen, Herr König«, sagte sachlich still Don Jehuda.
Steifes Schweigen war. Die Christenheit war im Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen. Ziemte es sich, daß ein christlicher König moslemische Künstler berief? Und werden Moslems bereit sein, dem christlichen König ein Schloß zu bauen?
Don Alfonso sah die Gesichter ringsum. Erwartung war auf ihnen, kein Spott. Auch auf dem Gesicht der Jüdin war kein Spott. Wird sie aber nicht in ihrem Innern spitz und vorwitzig denken, er könne sich nichts anderes bauen als seine alten, grimmigen Kastelle? Soll der König von Toledo und Kastilien nicht einmal etwas so Geringfügiges durchführen können wie den Wiederaufbau eines Lustschlosses? »Dann verschreib mir moslemische Bauleute«, gab er Weisung, immer sehr beiläufig, und: »Ich will La Galiana aufbauen«, schloß er ungeduldig. »Da du es so befiehlst, Herr König«, antwortete Don Jehuda, »beauftrage ich meinen Ibn Omar, dir die rechten Leute zu verschreiben. Er ist ein geschickter Mann.« – »Schön«, sagte der König. »Sieh zu, daß alles rasch vonstatten geht.« Und: »Wir brechen auf, Herren!« befahl er.
An Doña Raquel hatte er weder während des Rundgangs noch während des Mahles das Wort gerichtet.
Sechstes Kapitel
Don Alfonso sehnte sich immer heftiger nach der sänftigenden Gegenwart Leonors. Überdies machte ihr die Schwangerschaft Beschwer, die Entbindung war in sechs bis sieben Wochen zu erwarten, er durfte sie nicht länger allein lassen. Er schickte ihr Nachricht, er werde nach Burgos kommen.
Doña Leonor hatte es ihm nicht übelgenommen, daß er sich so lange von ihr fernhielt. Sie fühlte ihm die Qual der erzwungenen Untätigkeit nach, sie begriff, daß er’s vermeiden wollte, an ihrem Hofe mit Männern zusammenzutreffen, die auf der Fahrt ins Heilige Land waren, sie rechnete es ihm hoch an, daß er nun doch kam.
Sie zeigte ihm, wie tief sie ihn verstand. Sosehr es sie schmerzte, sie erkannte, daß Kastilien neutral bleiben mußte. Hatte sie doch selber gesehen, wie tief die Kränkung an Don Pedro fraß. Sie wußte: selbst wenn wider Erwarten eine notdürftige Allianz mit Aragon zustande kam, das bittere Vergeltungsgefühl des jungen Königs mußte zu stetem, verderblichem Hader über den Oberbefehl führen, die Niederlage war von vornherein gewiß.
In guten Worten versicherte sie Alfonso, seine Selbstüberwindung sei tapferer als jede noch so kühne Waffentat. Auch verstehe man überall die unselige Konstellation, die ihn in seine Untätigkeit hineinzwinge. »Du bist nach wie vor der Erste Ritter und Held Hispaniens, mein Alfonso«, sagte sie, »und die ganze Christenheit weiß es.«
Ihm wurde, wenn sie so sprach, das Herz warm. Sie war seine Dame und Königin. Wie hatte er’s ohne ihren Trost, ihren Rat, ihre Sorge so lange in Toledo aushalten können?
Er mühte sich, sie seinesteils besser zu begreifen. Bisher hatte er’s als eine freundlich damenhafte Laune hingenommen, daß sie ihr Burgos seinem Toledo vorzog; jetzt verstand er, daß es in ihrem Wesen begründet war. Aufgewachsen an den Höfen ihres Vaters Heinrich von Engelland und ihrer
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