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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Castillo in Burgos wenig gefiel.« Sie errötete, es machte sie verlegen, daß sie ihn gekränkt hatte, es schmeichelte ihr, daß ihm ihre Worte noch im Gedächtnis waren, sie schwieg, ein winziges, schwer deutbares Lächeln um die geschwungenen Lippen. »Verstehst du mein niedriges Latein?« fuhr er jetzt fort. Sie errötete tiefer; jedes Wort hatte er sich gemerkt. »Ich habe inzwischen das Kastilische viel besser gelernt, Herr König«, antwortete sie. Er sagte: »Ich möchte wohl gern arabisch mit dir reden, Dame, aber es wird kraus und hart aus meinem Munde kommen und dein Ohr ärgern.« – »Sprich ruhig kastilisch, Herr König«, sagte aufrichtig Doña Raquel, »da es die Sprache deines Landes ist.«
    Diese Worte verdrossen Don Alfonso. Sie hätte sagen sollen: »Es klingt mir angenehm« oder dergleichen, so hätte die Courtoisie es verlangt; statt dessen sagte sie hochfahrend heraus, was ihr durch den Kopf ging, und machte sein Kastilisch schlecht. »Mein Kastilien«, sagte er ausfällig, »ist euch wohl immer noch ein sehr fremdes Land, und heimisch fühlst du dich nur hier in euerm Hause.« – »Nicht doch«, sagte Raquel. »Die Herren deines Landes sind freundlich zu uns und bestreben sich, es uns heimisch zu machen.«
    Nun hätte Don Alfonso einen der üblichen galanten Sätze sagen müssen, etwa: Es ist nicht schwer, freundlich zu sein zu einer Dame, wie du es bist. Aber er war plötzlich des mühsamen, gestelzten, modischen Geschwatzes überdrüssig. Zudemfand diese Raquel das galante Geraspel sicher komisch. Wie überhaupt sollte man mit ihr reden? Sie gehörte nicht zu den Damen, welche übertriebene, nichtssagend verliebte Konversation erwarteten, und noch weniger zu den Weibern, vor denen man sich soldatisch derb geben konnte. Er war gewohnt, daß ein jeder seinen festen Platz einnahm und er, Alfonso, genau wußte, mit wem er’s zu tun hatte. Wie es um diese Doña Raquel stand und wie er sich bei ihr verhalten sollte, wußte er nicht. Alles, was mit seinem Juden zu tun hatte, verlor sogleich seinen festen Umriß und wurde undeutlich. Was wollte er von dieser Doña Raquel? Was wollte er mit ihr? Wollte er mit ihr – und in seinen Gedanken gebrauchte er ein sehr plumpes Wort seines niedrigen Lateins – liegen? Er wußte es nicht.
    Wenn er beichtete, durfte er guten Gewissens versichern, er habe nie eine Frau geliebt außer seiner Doña Leonor. Der ritterlichen Liebe, der »Minne«, konnte er keinen Geschmack abgewinnen. Da man die unverheirateten Töchter des Adels selten und immer nur in großer Gesellschaft zu Gesicht bekam, schrieb die Courtoisie vor, sich in verheiratete Damen zu verlieben und gekünstelte, gefrorene Liebesgedichte an sie zu richten. Dabei kam nichts heraus. So hatte er denn mit Weibern vom Troß geschlafen oder mit erbeuteten moslemischen Weibern; mit denen konnte man reden und umgehen, wie einem zumute war. Einmal auch hatte er etwas gehabt mit der Frau eines Ritters aus Navarra, aber es war eine unerfreuliche Affäre gewesen, und er hatte sich erleichtert gefühlt, als sie in ihre Heimat zurückkehrte. Auch die kurze Verbindung mit Doña Blanca, einer Hofdame Leonors, war quälend gewesen, und Doña Blanca war schließlich halb freiwillig, halb unfreiwillig in ein Kloster gegangen. Nein, glücklich war er nur mit seiner Leonor.
    Das bedachte Don Alfonso nicht etwa in klaren Worten, doch ging es ihm deutlich durchs Gemüt, und er ärgerte sich, daß er sich in dieses Gespräch mit der Tochter des Juden eingelassen hatte. Dabei gefiel sie ihm nicht einmal, sie hattenichts Mildes, Damenhaftes, sie war vorwitzig und maßte sich Urteile an, wiewohl sie doch eigentlich noch ein Kind war. Gar nichts war an ihr von der kühlen, stattlichen Blondheit der christlichen Damen, kein Ritter hätte ihr Verse gedichtet, und sie hätte sie auch gar nicht verstanden.
    Er wollte nicht länger mit ihr sprechen, er wollte fort aus diesem Haus. Der stille Garten mit seinen gleichmäßig plätschernden Wassern und dem schweren, süßen Duft der Orangenblüten ging ihm auf die Nerven. Er wird nicht länger einen Narren aus sich machen und scharmutzierend neben der Jüdin hergehen, er wird sie jetzt stehenlassen und für immer.
    Statt dessen hörte er sich sagen: »Ich habe ein Landgut hier vor der Stadt, genannt La Galiana. Das Haus hat sich ein moslemischer König bauen lassen, es ist sehr alt, und es gehen viele Geschichten darum.« Doña Raquel horchte hoch. Auch sie hatte von La Galiana

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