Die Juedin von Toledo
reagieren wird.«
Auch weiter blieb er dem König fern, und dieser beschränkte sich darauf, ihm kurze, herrische Botschaften zu schicken. Jehudas Sorge wuchs. Er war darauf gefaßt, daß der ungestüme Mann ihn von einer Stunde zur andern aus dem Castillo und aus dem Lande jagte und vielleicht sogar ihn greifen und in die Keller seiner Burg legen ließ. Dann wieder hoffte er, Alfonso werde versuchen, ihn zu versöhnen, und ihm vor aller Welt ein Zeichen seiner Achtung geben. Es war ein bitteres Warten. Da fragte ihn etwa voll naiver Betrübnis sein Sohn Alazar: »Erkundigt sich Don Alfonso niemals nach mir? Warum kommt er nicht, dich zu besuchen?« Und es fraß Jehuda am Herzen, daß er antworten mußte: »Das ist in diesem Lande nicht Sitte, mein Sohn.«
Wie atmete er auf, als ihm ein Bote der Königsburg den Besuch Don Alfonsos ankündigte!
Der König kam mit Garcerán, Estéban und kleinem Gefolge. Er suchte seine leise Befangenheit hinter einer etwas herablassenden, freundlichen Munterkeit zu verbergen.
Das Haus kam ihm fremd vor, fast feindlich, wie sein Besitzer. Dabei merkte er gut, daß es in seiner Art vollendet war. Ein geheimnisvoll ordnender Sinn hatte sehr Verschiedenes zu einer Einheit gefügt. Bedenkenloser Reichtum war überall verstreut, keine Ecke, kein Winkel war übersehen. Viele Diener waren da, so gut wie unsichtbar und doch immer zur Stelle. Überall dämpften Teppiche den Lärm, die Stille des Hauses wurde durch die plätschernden Wasser noch stiller. Und so etwas stand mitten in seinem lauten Toledo! So etwas war aus seinem Castillo de Castro geworden! Er fühlte sich hier als Fremder, als störender Gast.
Er sah die Bücher und Rollen, arabische, hebräische, lateinische. »Hast du Zeit, das alles zu lesen?« fragte er. »Vieles lese ich«, antwortete Jehuda.
Im Gästehaus erklärte er dem König, Musa Ibn Da’ud sei der weiseste Arzt unter den Gläubigen der drei Religionen. Musa neigte sich vor dem König und musterte ihn mit unehrerbietigen Augen. Don Alfonso verlangte, man solle ihm einen der Weisheitssprüche übersetzen, die sich bunt und golden die Wände entlangzogen. Und Musa übersetzte, wie er dem Don Rodrigue übersetzt hatte: »Das Schicksal der Menschenkinder und das Schicksal des Viehes ist das gleiche … Ihre Seele ist die gleiche … Wer weiß, ob die Seele der Menschenkinder hinaufgeht und die Seele des Viehes hinunter unter die Erde?« Don Alfonso überlegte. »Das ist die Weisheit eines Ketzers«, sagte er streng. »Es ist aus der Bibel«, belehrte ihn freundlich Musa. »Es sind Sätze des Predigers Salomo, des Königs Salomo.« – »Ich finde solche Weisheit höchst unköniglich«, sagte ablehnend Don Alfonso. »Ein König geht nicht hinunter unter die Erde wie das Vieh.«
Er brach ab, verlangte von Jehuda: »Zeig mir die Waffenkammer.« – »Wenn du erlaubst, Herr König«, antwortete Jehuda, »zeigt mein Sohn Alazar dir die Waffenkammer, und es wird der beste Tag seines Lebens sein.«
Don Alfonso erinnerte sich freundlich des netten Knaben. »Du hast einen aufgeweckten, ritterlichen Sohn, Don Jehuda«, sagte er. »Auch deine Tochter will ich sehen, wenn du es wünschest«, fügte er hinzu. Er unterhielt sich freundlich, kennerisch mit dem Knaben Alazar über die Waffen, über die Pferde und die Maultiere.
Dann ging es in den Garten, und siehe, hier war Doña Raquel.
Es war die gleiche Raquel, welche ihm in Burgos die wenig ziemliche Antwort gegeben hatte, und dennoch eine andere; sie trug ein Kleid von leicht ausländischem Schnitt und war die Dame des Hauses, die einen fremden, hohen Gast empfängt. War sie in Burgos ein Störendes gewesen, ein ganz und gar nicht Zugehöriges, so war hier alles, die kunstvolle Gartenanlage, die springenden Wasser, die fremden Pflanzen, Rahmen für sie, und er, Alfonso, war das Fremde, nicht Hergehörige.
Er verneigte sich, zog, wie die Courtoisie es verlangte, den Handschuh aus, nahm ihre Hand und küßte sie. »Es ist mir recht, daß ich dich wieder treffe, Dame«, sagte er laut, daß alle es hörten. »Ich konnte damals in Burgos die Unterhaltung mit dir nicht zu Ende führen.«
Man war nun in größerer Gesellschaft; dem König und seinen Herren hatten sich Alazar angeschlossen und die Edelknaben Jehudas. Alfonso blieb, als man sich zu einem gemächlichen Rundgang aufmachte, mit Doña Raquel ein wenig zurück. »Nun ich dieses Haus sehe, Dame«, sagte er, und er sprach kastilisch, »begreife ich, daß dir mein
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