Die Juedin von Toledo
Mutter Ellinor de Guienne, wo man Bildung und feinste Sitte pflegte, mußte sie sich verloren vorkommen in seinem abgelegenen Toledo. Von ihrem Burgos aus, das an der großen Pilgerstraßenach Santiago de Compostela lag, war leicht Verbindung zu halten mit den verfeinerten Höfen der Christenheit; es kamen denn auch ständig zu Besuch Ritter und Dichter vom Hofe ihres Vaters und von dem ihrer Halbschwester, der damenhaftesten Dame der christlichen Welt, der Prinzessin Marie von Troyes.
Burgos selber beschaute Alfonso jetzt mit besser wissenden Augen. Er sah die strenge, strebende Schönheit der uralten Stadt, die das arabische Wesen abgetan hatte und nun dastand hehr, ragend, spröd, christlich. Er war ein Narr, daß er sich sein edles, ritterliches Burgos einen Augenblick lang hatte verleiden lassen von dem Geschwätz eines törichten Mädchens.
Er ärgerte sich, daß er Auftrag gegeben hatte, die Galiana in ihrer moslemischen Pracht wiederaufzubauen, und erzählte Leonor nichts davon. Ursprünglich hatte er gedacht, wenn das schöne, kühl gelegene Schloß wiederhergestellt sei, könne er sie überreden, auch einmal ein paar Sommerwochen in Toledo zuzubringen. Jetzt wußte er, La Galiana wird ihr mißfallen; sie liebte das Gehaltene, Feste, Ernsthafte, nicht das weichlich Üppige, Verspielte, Verfließende.
Er bestrebte sich in diesen Wochen, es Doña Leonor recht zu machen. Da ihr Zustand Reit- und Jagdausflüge verbot, versagte auch er sich dieses Vergnügen und blieb die meiste Zeit in der Burg. Auch beschäftigte er sich mehr als früher mit seinen Kindern, vor allem mit der Infantin Berengaria. Sie war ein hochaufgeschossenes Mädchen mit nicht schönem, doch kühnem Gesicht. Von ihrer Mutter hatte sie die Neugier an Welt und Menschen geerbt, auch den Ehrgeiz, sie las und lernte viel. Es machte ihr sichtlich Freude, daß sich ihr Vater jetzt mehr mit ihr abgab, doch blieb sie einsilbig und zugesperrt. Alfonso kam seiner Tochter nicht näher.
Doña Leonor hatte sich damit abgefunden, keinen männlichen Erben zu gebären. Aber es werde, meinte sie lächelnd, auch sein Gutes haben, wenn sie ein viertes Mal mit einer Tochter niederkomme. Denn dann habe der künftige Gemahlihrer Berengaria so gut wie sichere Aussichten auf die Krone Kastiliens und werde also diesem Reiche ein ehrlicher Bundesgenosse sein. Sie hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, Don Pedro trotz allem für eine aufrichtige Allianz zu gewinnen, und sie beabsichtigte, gleich nach ihrer Entbindung nach Saragossa zu fahren, um das Verlöbnis von neuem zu betreiben. Auch in diesem Dritten Kreuzzug vollzog sich der Aufmarsch der christlichen Heere sehr langsam, die große Fahrt nach dem Osten war bisher nur bis Sizilien gekommen, so daß, wenn nur die Versöhnung mit Aragon zustande kam, gute Aussicht war, daß Alfonso noch am Heiligen Krieg werde teilnehmen können.
Fürs erste sann Doña Leonor allerlei Geschäftigkeit aus, ihm die träge Zeit des Wartens schneller fließen zu machen.
Da war etwa der Calatrava-Orden. Diese Kerntruppe Kastiliens unterstand dem König nur in Kriegszeiten; im Frieden war der Großmeister so gut wie unabhängig. Der Heilige Krieg gab Don Alfonso gute Gründe, auf Änderung zu drängen. Doña Leonor schlug vor, Alfonso solle nach Calatrava reisen, dem Orden für den Ausbau der Wälle und für die Ausrüstung der Ritter eine Stiftung machen und sich mit dem Großmeister, Don Nuño Perez, einem mönchischen, doch sehr kriegskundigen Herrn, über die Umgestaltung der Regel und Zucht verständigen.
Dann waren da die Gefangenen, die Sultan Saladin bei dem Kampf um die Heilige Stadt in die Hände gefallen waren. Der Papst mahnte und drängte alle Christenheit, sie auszulösen. Aber der Heilige Krieg verschlang riesige Beträge, man zögerte und vertröstete, die Frist lief ab. Der Sultan hatte ein Lösegeld von zehn Goldkronen für den Mann, fünf für die Frau, eine für das Kind festgesetzt, das war hoch, doch nicht unangemessen. Doña Leonor riet, Alfonso solle Gefangene in sehr großer Zahl auslösen. Auf solche Art könne er der Welt zeigen, daß er an heiligem Eifer den andern nicht nachstehe.
Das waren Projekte, die Alfonso einleuchteten. Aber wenn er sie unternahm, brauchte er Geld.
Er entbot Jehuda nach Burgos.
Dieser Don Jehuda mittlerweile war in Toledo gesessen in seinem schönen Castillo Ibn Esra. Und während überall in der Welt Krieg war, erfreute sich sein Sepharad des Friedens, und die Geschäfte des
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