Die Jury
überhaupt keine Rolle«, sagte Buckley. »Wir setzen überall eine Verurteilung durch.«
»Sparen Sie sich das für die Kameras«, entgegnete Jake ruhig. »So etwas brauche ich mir von Ihnen nicht sagen zu lassen«, zischte Buckley. »Sie scheinen selbst großen Gefallen an den Kameras zu finden.«
»Ich bitte Sie, meine Herren«, warf Noose ein. »Beabsichtigt die Verteidigung, vor der Verhandlung weitere Anträge zu stellen?«
Jake überlegte kurz. »Ja«, bestätigte er knapp.
»Wären Sie bereit, die geplanten Anträge zu erläutern?« fragte Noose ein wenig verärgert.
»Meiner Ansicht nach ist es zu früh, um die Strategie der Verteidigung zu diskutieren, Richter. Ich habe gerade erst die Anklageschrift erhalten und hatte noch keine Zeit, sie mit meinem Klienten zu erörtern. Ganz offensichtlich erwartet uns viel Arbeit.«
»Wieviel Zeit benötigen Sie?«
»Sechzig Tage.«
»Soll das ein Witz sein«, platzte es aus Buckley heraus.
»Wollen Sie uns auf den Arm nehmen? Die Staatsanwaltschaft könnte den Fall morgen verhandeln, Richter. Sechzig Tage! Das ist doch lächerlich!«
Jake kochte innerlich, schwieg jedoch. Buckley trat zum Fenster und brummte etwas Unverständliches.
Noose blätterte in seinem Terminkalender. »Warum sechzig Tage?«
»Es könnte ein komplizierter Prozeß werden.«
Buckley lachte und schüttelte den Kopf.
»Haben Sie vor, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren?« erkundigte sich Noose.
»Ja, Sir. Und es dauert eine Weile, um Mr. Hailey von Psychiatern untersuchen zu lassen. Anschließend möchte die Staatsanwaltschaft bestimmt nicht darauf verzichten, eigene psychiatrische Gutachten zu erstellen.«
»Ich verstehe.«
»Hinzu kommen noch einige andere Dinge. Es ist ein wichtiger Fall, und deshalb brauchen wir genug Zeit für die Vorbereitungen.«
»Mr. Buckley?« fragte der Richter.
»Meinetwegen. Für uns macht es keinen Unterschied. Wie ich schon sagte: Wir könnten morgen mit dem Prozeß beginnen.« Noose schrieb etwas in den Kalender und rückte erneut seine Lesebrille zurecht. Sie ruhte auf der Nasenspitze, und eine Warze hinderte sie daran, über das Ende des langen Zinkens hinwegzurutschen. Größe der Nase und Form des Kopfes erforderten eine speziell angefertigte Brille mit extra langen Bügeln. Der Richter benutzte sie nie zum Lesen. Ihr einziger Zweck bestand darin, von der Nase abzulenken, doch sie erfüllte ihn nicht. Ganz im Gegenteil: Die orangefarben getönten achteckigen Gläser fokussierten die Aufmerksamkeit der Beobachter direkt auf den dicken Schnabel in Nooses Gesicht.
Jake wußte das schon seit einigen Jahren, aber ihm fehlte der Mut, den Richter darauf hinzuweisen.
»Mit wie vielen Verhandlungstagen rechnen Sie, Jake?« fragte Noose.
»Drei oder vier sollten genügen. Aber vielleicht benötigen wir drei Tage für die Auswahl der Geschworenen.«
»Mr. Buckley?«
»Klingt vernünftig. Aber ich verstehe noch immer nicht, warum die Verteidigung sechzig Tage braucht, um sich auf einen dreitägigen Prozeß vorzubereiten. Ich meine, wir sollten den Fall eher verhandeln.«
»Ruhig Blut, Rufus«, sagte Jake gelassen. »Die Kameras befinden sich auch in zwei Monaten noch hier; die vergessen uns nicht. Und Sie bekommen ausreichend Gelegenheit, um Interviews zu geben, Pressekonferenzen zu veranstalten und zu predigen. Seien Sie unbesorgt – Ihren großen Auftritten steht nichts entgegen.«
Buckley kniff die Augen zusammen, und sein Gesicht lief rot an, als er sich Jake näherte. »Mr. Brigance, wenn ich mich nicht sehr irre, haben Sie in der vergangenen Woche mehr Interviews gegeben als ich.«
»Ja, und deshalb sind Sie neidisch, nicht wahr?«
»Neidisch? Was für ein Unsinn! Fernsehkameras sind mir völlig gleich...«
»Seit wann?«
»Meine Herren...«, unterbrach Noose, Ankläger und Verteidiger. »Uns erwartet ein emotionsgeladenes Verfahren, und ich verlange von Ihnen, daß Sie sich wie Profis verhalten. Nun, in meinem Terminkalender gibt es kaum mehr Platz. Die einzige Möglichkeit bietet sich in der Woche, die am 22. Juli beginnt. Was meinen Sie?«
»Keine Einwände«, sagte Musgrove.
Jake sah Buckley an, lächelte und konsultierte seinen Taschenkalender. »In Ordnung.«
»Gut. Alle Anträge vor dem Prozeß müssen bis zum Montag, dem 8. Juli, erledigt werden. Die Verlesung der Anklageschrift findet morgen früh um neun Uhr statt. Irgendwelche Fragen?« Jake stand auf und verabschiedete sich von Noose und Musgrove. Er ignorierte
Weitere Kostenlose Bücher