Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Daneben lagen die Stöcke, mit denen die Züchtigung vorgenommen worden war.
    In der hintersten Ecke saß seine Mutter mit verbundenem Kopfe. Sie hatte mehrere Hiebe über denselben erhalten und schien nicht ungefährlich verwundet worden zu sein. In ihrer Nähe lagen vier kleinere Kinder am Boden, welche leise weinten, und auf einer alten Pritsche saß der Mann, welcher diese Grausamkeiten verübt hatte. Seine knochige Gestalt und seine rohen Züge machten einen höchst ungünstigen Eindruck, und man sah es ihm auf den ersten Blick an, daß er sich im Zustande der Betrunkenheit befand. Er achtete gar nicht auf die Eintretenden.
    Als Magda den Knaben erblickte, welcher ihr so schnell lieb geworden war, stieß sie einen Ruf des Schmerzes aus und eilte auf ihn zu.
    »Ach Gott, Papa, das ist er! Hilf ihm, Papa, schnell, schnell!«
    Der General trat näher und streckte die Hand nach dem Knaben aus. Da aber erhob sich der Betrunkene und faßte ihn am Arme.
    »Halt! Was wollt Ihr hier?«
    »Zunächst diesen Knaben befreien, Mensch.«
    »Dies Haus ist mein, und der Knabe auch. Packt Euch fort!«
    »Nur langsam! Wir werden gehen, aber nicht ohne vorher unsere Pflicht zu thun.«
    »Hinaus mit Euch. Ihr habt hier nichts zu befehlen; ich leide es nicht!«
    Er faßte den General beim Arme; dieser aber stieß ihn von sich ab.
    »Kerl, wage es noch einmal mich anzurühren, so sollst Du sehen, was passirt! Ist dies Euer Vater?«
    Eins der Kleinen nickte.
    »Und dies Eure Mutter?«
    »Ja.«
    »Kunz, nimm den Knaben herab!«
    »Versucht es einmal!« drohte der Schiffer, indem er zum Stocke griff.
    »Kunz!«
    Der Diener erhielt einen Wink, welchen er sofort verstand. Er eilte hinaus und kam bald mit Polizei und einigen Schiffern zurück, mit deren Hilfe der Mann gebunden wurde. Dann konnte man Kurt ungestört aus seiner Lage befreien. Er war in der Weise geschlagen worden, daß er kaum noch die nöthige Besinnung besaß die Umstehenden zu erkennen. Er hatte sich, um den Schmerz zu beherrschen und nicht zu schreien, in die Lippen und die Zunge gebissen. Auch die Mutter war von den Streichen, welche ihren Kopf getroffen hatten, beinahe betäubt und konnte nur in kurzen abgerissenen Worten Auskunft ertheilen. Der Knabe war ohne Geld nach Hause gekommen, und als sein Vater dazu gehört hatte, wie Kurt mit dem Prinzen, von dem er doch eher hätte etwas verdienen sollen, umgesprungen war, hatte er seine Wuth nicht zügeln können und war über Mutter und Sohn in dieser unmenschlichen Weise hergefallen. Die Polizei führte ihn ab.
    Die Wunden der Beiden wurden von den theilnehmenden Nachbarn mit Essig behandelt und dann verbunden. Kurt konnte sich wieder ankleiden.
    »Armer Junge!« meinte der General. »Willst Du fort aus diesem Hause?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich bleib bei meiner Mutter.«
    »Ah, brav! Aber wenn sie nun auch fortgeht?«
    »Und auch die Geschwister?«
    »Ja.«
    »Und der Vater nicht?«
    »Nein.«
    »So gehe ich mit, gnädiger Herr. Aber wohin sollen wir?«
    »Zu mir. Ich werde für Euch sorgen. Jetzt muß ich nach Hause. Könntest Du mich begleiten, oder sind die Schmerzen zu groß dazu?«
    Der Knabe lächelte, schien sich aber dennoch zugleich zu schämen.
    »Ich habe oft so ausgesehen und doch sogleich wieder arbeiten müssen.«
    »So komm!«
    Er legte der Mutter, welche noch immer wie gelähmt an ihrem Platze saß, seine Börse in den Schooß und verließ das Haus. Magda ergriff die Hand des Knaben.
    »Armer Kurt! Du bist so gut und so muthig, hast mich aus dem Wasser gezogen und mußt Dich dafür so sehr schlagen lassen! Thut es noch recht sehr weh?«
    Sein jugendliches Gesicht erhellte sich.
    »Nun gar nicht mehr.«
    »Ist es auch wahr?«
    »Ja.«
    Das kleine Mädchen ahnte nicht, welchen Eindruck ein einziges Wort, ein einziger Blick oder Händedruck hervorbringen kann. Sie ließ den Knaben nicht los, bis sie die Wohnung des Generals erreichten.
    Dort bot sich ihnen ein sonderbarer Anblick dar. Auf dem Korridore stand sämmtliches Dienstpersonal und korrespondirte durch die verschlossene Thür mit drei weiblichen Stimmen, welche man im Innern bitten, rufen, befehlen, jammern und wehklagen hörte.
    »Was gibt es?« frug der General.
    Alle wollten zu gleicher Zeit antworten; aber die schrille Stimme der Zofe errang zuletzt den Sieg.
    »Was es gibt, Excellenz? Ein Unglück, ein großes, fürchterliches, ungeheures Unglück.«
    »Welches?«
    »Ja, das wissen wir nicht.«
    »Macht auf!«
    »Wir können nicht. Der

Weitere Kostenlose Bücher