Die Juweleninsel
Thür wurde aufgerissen, und die lange Freya trat in höchster Eile und mit einem Gesichte ein, welches Zeugniß von einer sehr großen Aufregung gab.
»Emil – Bruder!«
»Was ists?«
»Ah, laß mich erst verschnaufen! Ich bin so sehr gerannt und gesprungen, daß ich mit allen Gliedern Athem hole.«
»Alle Wetter, was ist denn los?«
»Was los ist? Wer denn anders als der Teufel, oder was ganz dasselbe ist, der tolle Prinz!«
»Ach der! Wieder einmal?«
»Wieder! Mein Gott, was für ein Mensch ist das! Wäre ich ein Herr, ein Offizier, ein Kavalier, ich forderte ihn und so wahr ich – «
Sie erhob bei diesen Worten die geballte Faust und schlug damit als Zeichen der Betheuerung vor sich auf das Sopha nieder, auf welchem sie Platz genommen hatte, traf aber unglücklicher Weise ihre Katze, welche, einer solchen Behandlung ungewohnt, mit einem lauten schrillen Kreischen auffuhr, über das Zimmer schoß und zum geöffneten Fenster hinausflog. Freya sprang auf und an das Fenster.
»Weg! Bruder – Emil – General! Herrgott, siehst Du denn nicht, daß die Bibi nun auch todt ist? Todt, zerschmettert, zerschlagen, zerschmissen, zermalmt, zerquetscht und zerschunden, Alles nur wegen diesem schrecklichen Prinzen!«
»Auch todt, sagst Du? Wer ist denn noch todt?«
»Mein Gott, das weißt Du noch nicht? Er stürzte sie in das Wasser, und da –«
Wieder wurde die Thüre aufgerissen, und die kleine Wanka erschien.
»Da bist Du ja schon, Freya! ja, Deine Beine sind länger als die meinigen. O, ich vergehe; ich verschwinde; ich zerfalle; ich löse mich auf! Mach Platz!«
Sie sank auf das Sopha und schloß die Augen. Dem General wurde es jetzt wirklich angst.
»So sprecht doch nur! Wer ist denn todt?«
»Todt nicht,« rief Wanka, die also doch noch nicht vollständig aufgelöst war, denn sie hatte noch die Kraft, die Augen wieder zu öffnen. »Sondern in das Wasser –«
»O ja, todt, vollständig todt, meine süße Bibi!« rief Freya. »Bei einem solchen Sturze kann sie doch unmöglich lebendig unten ankommen!«
»Zum Donnerwetter,« schalt der General, »wer in das Wasser gestürzt worden ist, das will ich wissen! Heraus damit!«
In diesem Augenblicke stöhnte es draußen, als ob eine Lokomotive angefahren komme, und die Thür wurde zum dritten Male aufgemacht. Die dicke Zilla trat ein. Sie hatte keinen Athem mehr, und ihr Gesicht besaß eine vollständig zinnoberrothe Farbe.
»Ah – oh – uh – uuuh! Oh, oooh!«
Während dieser verzweifelten Interjektionen rannen ihr dicke Tropfen von der Stim und den Wangen herab. Sie wollte sie entfernen, machte sich aber in ihrer Aufregung einer sehr merkwürdigen Verwechslung schuldig; sie drückte nämlich das Taschentuch an ihren nach Luft ringenden Busen und wischte sich mit Mimi, dem Eichhörnchen, den Schweiß vom Gesichte. Das kleine Thierchen wehrte sich nach Kräften gegen diese Realinjurie, und dies gab seiner Herrin den verlorenen Odem wieder.
»Emil – Du weißt es bereits?«
»Ich? Kein Wort! Was ist denn eigentlich geschehen?«
»Da – da kommt sie selbst!«
Wirklich trat jetzt Magda ein. Sie eilte auf den Vater zu und umarmte ihn.
»Nicht wahr, Papa, Du bist mir nicht bös?«
»Worüber sollte ich Dir bös sein?«
»Nun, weil mich der tolle Prinz in das Wasser geworfen hat.«
»Dich? Ists möglich! Aber nur aus Versehen!«
»Nein, sondern mit Absicht. Aber Du darfst nicht zanken, denn ich bin noch vor den Tanten nach Hause gelaufen und habe mich gleich umgekleidet. Es hat mir gar nichts geschadet.«
»Welch ein Glück! Erzählt einmal!«
Diesem Gebote wurde von vier Stimmen zu gleicher Zeit Folge geleistet, und die Schwestern entwickelten eine Sprachfertigkeit, welche den General in Verzweiflung bringen konnte. Aber er wußte recht gut, daß er den rauschenden Strom ihrer Rede nicht unterbrechen dürfe, und so wartete er in Geduld, bis der Bericht beendet war.
»Wo ist der Prinz hin?« frug er dann.
»Wir wissen es nicht. Er ruderte weiter.«
»Dern Lande zu?«
»Nein.«
»Also noch nicht zu Hause. Und wie hieß dieser brave und muthige Knabe?«
»Kurt Schubert. Er hat einen Stiefvater,« antwortete Freya.
»Oder vielmehr einen Stiefrabenvater, der ihn täglich schlägt und mißhandelt,« setzte Zilla hinzu. »Wenn er sich nicht so geschickt betragen hätte, wären wir Alle ertrunken.«
»Das ist wahr,« bestätigte Wanka. »Wir müssen ihm eine Dankbarkeit erweisen.«
»Das werde ich sofort besorgen,« entschied der General.
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