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Die Känguru Chroniken

Die Känguru Chroniken

Titel: Die Känguru Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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Känguru.
    »Findste nicht gut?«, frage ich.
    »Kommt drauf an, was du erzählst«, sagt das Känguru.
    »Nur Gutes«, sage ich.
    »Nur Lügen!«, ruft das Känguru empört.
    »Zum Beispiel?«, frage ich.
    »Zum Beispiel, dass ich ständig Sachen mitgehen lasse. Oder dass ich palettenweise Schnapspralinen fresse!«
    Stumm deute ich auf die leere Packung Schnapspralinen neben der Schlafstelle des Kängurus und öffne danach den Schrank, in dem sich unzählige Aschenbecher zu bedrohlich hohen Türmen stapeln.
    »Die Geschichten haben sich genauso ereignet, wie ich sie erzählt habe«, sage ich. »Ich schreib ja immer gleich alles mit.«
    »Immer?«, fragt das Känguru.
    »Immer«, sage ich.
    »Alles?«
    »Alles.«
    »Auch das jetzt?«
    »Auch das.«
    »Na, dann will ich deinem Publikum mal was verklickern!«, sagt das Känguru.
    »………………………………………………………………………«
    »Des schreib ich nicht«, sage ich.
    »So, das schreibste jetzt nicht«, sagt das Känguru.
    »Nö«, sage ich.
    »Aber das jetzt wieder?«, fragt das Känguru.
    »Ja«, sage ich.
    »Ist ja typisch!«, sagt das Känguru. »Wenn einer mal was Wichtiges sagt, dann wird ausgeblendet, aber das Geschwafel läuft über alle Frequenzen.«
    »Tja«, sage ich.
    »Das könnteste mal schreiben«, sagt das Känguru.
    »Hab ich«, sage ich.
    Das Känguru springt auf den Tisch und tönt: »Ein Mann, der was zu sagen hat und keine Zuhörer findet, ist schlimm dran. Noch schlimmer sind Zuhörer dran, die keinen finden, der ihnen etwas zu sagen hat.«
    »Guter Spruch«, sage ich. »Von dir?«
    »Nee. Von Brecht.«
    »Der den Steppenwolf geschrieben hat?«
    »Nee, des war doch Böll.«
    »Aber gutes Buch«, sage ich.
    »Ja«, sagt das Känguru.
    »Hastes gelesen?«, frage ich.
    »Nee«, sagt das Känguru. »Du?«
    »Nee«, sage ich.
    Das Känguru schnuppert in der Luft herum. Daran erkennt man, dass es Hunger hat.
    »Schreibst du immer noch?«, fragt es.
    »Ja«, sage ich.
    »Hör auf damit!«, sagt das Känguru.
    »Nö«, sage ich.
    »Hör auf«, sagt das Känguru.
    »Ich schreibe: ›Hör auf‹, sagt das Känguru«, sage ich.
    »Hör auf oder ich komm rüber und nehm dir den Stift weg.«
    »Ui. Da hab ich aber Angst«, sage ich.
    Das Känguru hüpft vom Tisch auf mich zu und versu

»Jetzt hör doch mal …«, sage ich, während wir von der ruckelnden U-Bahn durchgeschüttelt werden.
    »Mit dir rede ich nicht«, keift das Känguru und setzt sich auf einen einzelnen, freien Platz direkt neben der Tür. Ich setze mich zwei Plätze weiter. Zwischen uns sitzt ein kleiner, dicker Mann in einem beigen Anzug, der eine kleine, runde Brille auf der Nase hat und ein bisschen wie ein zu groß geratener Hamster aussieht.
    Ich beuge mich vor, um an ihm vorbei mit dem Känguru zu reden.
    »Das ist doch lächerlich …«, sage ich.
    »Hat hier jemand was gesagt?«, fragt das Känguru. »Ich habe nichts gehört.«
    Ich lehne mich wieder zurück. Dann drehe ich den Kopf zu dem kleinen, dicken Mann und sage: »Könnten Sie bitte dem Känguru sagen, dass ich mich bereits entschuldigt habe?«
    Der Mann reagiert nicht.
    »Hallo!«, sage ich und stupse ihn an. »Könnten Sie bitte dem blöden Känguru sagen, dass ich mich bereits entschuldigt habe?«
    »Wer? Ich?«, fragt der Mann erstaunt.
    »Na wer denn sonst?«, frage ich. »Mit mir redet es ja nicht.«
    Der Mann blickt zum Känguru, welches grimmig auf den Informationsmüllmonitor an der Decke des U-Bahn-Waggons starrt.
    »Es tut mir leid«, sagt er zu mir. »Ich glaube, ich möchte mich da nicht einmischen.«
    »Ist ja klar«, sage ich. »Sie sind also auch auf seiner Seite!«
    »Nein, ich …«
    »Dann verstehe ich nicht, warum Sie mir nicht diesen kleinen Gefallen tun können«, sage ich.
    Jetzt zuckt der Mann auch noch genau wie ein Hamster mehrmals mit seinem Näschen und rückt danach seine Brille wieder zurecht. Dann sagt er zum Känguru: »Der Herr hier neben mir lässt Ihnen ausrichten, er habe sich bereits entschuldigt.«
    Das Känguru wendet sich so zackig zu meinem Boten, dass dieser fast aufspringt.
    »Aha. Und der Herr meint wohl, das reiche? Dann ist alles wieder gut? ›Ey Jesus! Judas hier. Hab dich nicht erreicht, deswegen quatsch ich dir hier auf deine Mailbox. War irgendwie uncool von mir mit den Silberstücken und den Römern und so. Und die Nummer mit dem Kreuz. Na ja. Tut mir leid. Schwamm drüber. Tschüssi.‹ Aber so funktioniert es nicht«, sagt das Känguru.

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