Die Känguru Chroniken
Beutel on the Band.«
Das Känguru zieht mehrmals an seinem Beutel, macht dabeiQuietschgeräusche und sagt überdeutlich und genervt: »Angewachsen! Geht nicht!«
»Der Beutel muss aufs Band. So sind die Vorschriften«, brummt der Mann.
»Das ist entwürdigend!«, ruft das Känguru eine Minute später vom Band, kurz bevor sein Kopf in der Durchleuchtemaschine verschwindet.
»Ich kann nix erkennen«, murmelt die Frau hinter dem Bildschirm.
»Wir müssen das noch mal machen«, sagt sie zum Känguru, als es auf der anderen Seite wieder rauskommt. »Und drehen Sie den Beutel bitte nach oben.«
»Ihr habt ja wohl den Arsch offen …«, beginnt das Känguru zu fluchen.
Der Mann nimmt sein Funkgerät, um Verstärkung zu rufen, ich blicke das Känguru flehend an. Es schnaubt böse, hüpft vom Band, stampft wieder zurück und legt sich noch mal anders herum drauf.
»Irgendwann reicht’s …«, murmelt das Känguru. »Irgendwann …«
»Kann ich schon durchgehen?«, frage ich.
»Schuhe aus. Hut ab. Jacke weg. Gürtel auf. Pullover runter«, sagt der Mann.
Als das Känguru wieder ganz in der Maschine drin ist, hört man seltsame Geräusche, und plötzlich ist das Bild auf dem Monitor verschwunden. Der Kopf des Kängurus wird unter dem schwarzen Gummivorhang vorgeschoben.
»Und was meinen Sie, Doktor?«, fragt es im fatalistischen Tonfall eines Emergency-Room-Statisten. »Isses was Schlimmes?«
Ich habe mich derweil komplett ausgezogen und frage: »Is gut so? Oder soll ich noch die Haare wegrasieren?«
Vier Tage später werden wir aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem das Känguru erfolgreich argumentiert hat, es sei nur an den Kabeln ›hängen geblieben‹, während ich mich damit entschuldige, nur die Anweisungen – in vorauseilendem Gehorsam – zu Ende gedacht zu haben. Wir werden ins Flugzeug gesetzt, drei Minuten später landen wir in Tegel. Das Känguru ist aber immer noch mies drauf, weil es für seinen Beutel auch noch zehn Euro Gepäckzuschlag bezahlen musste.
»Ich mache bei ’nem Gedichtwettbewerb mit. Für die deutschen Heimattage!«, sage ich.
»Mhm«, sagt das Känguru.
»Willstes hören?«, frage ich.
»Hab ich ’ne Wahl?«, fragt das Känguru.
»Nö.«
»Dann schieß los.«
Ich deklamiere:
»Kennen Sie Deutschland?
Im Süden die Berge
im Norden das Meer
und dazwischen
Teer.«
Forschend blickt mich das Känguru an.
»Das war’s?«, fragt es.
»Ich finde, damit ist alles gesagt.«
»Macht jeden Reiseführer überflüssig«, sagt das Känguru. »Meine Stimme würdste kriegen.«
»Glaubste, ich gewinn?«
»Nö.«
»Is zu kurz?«
»Vielleicht.«
»Ich könnt ja noch ’ne zweite Strophe machen«, sage ich. »So in die Richtung:
Aber gibt’s echt nur Teer?
Es gibt doch noch mehr!
Ja, genau!
Stau.«
»Na ja«, sagt das Känguru. »Würd ich weglassen.«
»Ich will aber ›Banana Joe‹ sehen«, sagt das Känguru.
»Den ham wir letzte Woche schon angekuckt«, sage ich. »Zweimal.«
»›Der Supercop‹ is aber blöd«, sagt das Känguru.
»Gar nich.«
»Wohl.«
»Ist doch voll die geile Story«, sage ich. »Terence Hill hat Superkräfte, aber immer wenn er was Rotes sieht, wird er zum Schwächling.«
»Als ob er dafür was Rotes bräuchte …«
»Ey, pass auf!«
»Joe Oh Banananana Joe …«, singt das Känguru.
»Okay. Wir stimmen ab«, sage ich. »Wer ist für ›Banana Joe‹?«
Das Känguru hebt seine Pfote.
»Wer ist für ›Der Supercop‹?«
Ich strecke meine Hand in die Höhe.
»Tja«, sagt das Känguru.
»Da kann man mal sehen, dass die viel gelobte Demokratie auch ihre Probleme hat«, sage ich.
»Und was machen wir jetzt?«, fragt das Känguru. »Machen wir’s wie die EU und stimmen einfach so oft ab, bis uns das Ergebnis in den Kram passt?«
»Ist doch echt komisch, dass diese Wahlentscheidungenimmer so knapp ausfallen«, wundere ich mich. »Bei Millionen von Wählern sind’s dann am Ende nur null Komma ein bisschen Prozent, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Ist doch nicht selbstverständlich. Man könnte doch annehmen, dass die einen eine evident bessere Vision für die Zukunft feilbieten als die anderen – und dementsprechend deutlich mehr Zuspruch bekommen.«
»Da kannst du ja schon mal draus schließen, dass es zu so knappen Entscheidungen nur kommt, wenn niemand eine einleuchtend gute Vision für die Zukunft feilbietet«, sagt das Känguru. »Aber natürlich ist das Ganze noch etwas komplexer. Wenn es dich
Weitere Kostenlose Bücher