Die Känguru Chroniken
denke?«, frage ich.
»An Ratzingers Golf?«, fragt das Känguru.
»Bingo!«, rufe ich. »Wenn das alte Auto vom Papst fast 200.000 gebracht hat, dann muss doch auch der Fernseher von Honecker was wert sein. Vor allem, wenn man damit in die Vergangenheit blicken kann!«
Sofort stellen wir den Fernseher bei ebay rein. »Erich Honeckers Fernseher! Empfängt Fernsehen von früher!« Anfangsgebot: 1 Euro.
Nach zehn Tagen ist die Auktion aber ohne ein Gebot ausgelaufen. Keiner will einen Fernseher ohne Scart-Anschluss.
»Schmelzkäse ist mir suspekt«, sage ich in den Kühlschrank hinein, aber doch zum Känguru, welches am Küchentisch sitzt. »Er schimmelt nicht.«
Seit über einem Jahr liegt die angefangene Packung quadratisch genormter, einzelverpackter Käsescheiben nun schon in der hintersten Ecke unseres Kühlschranks und schimmelt nicht. Der Käse schimmelt einfach nicht.
»Was ist da drin?«, frage ich. »Kann man das überhaupt Käse nennen, oder ist das essbares Plastik?«
»Plastik? Vielleicht«, sagt das Känguru. »Aber essbar …«
Zurzeit macht mir nichts mehr Angst als dieser Schmelzkäse. Jeden Morgen wache ich panisch auf, renne in die Küche und reiße die Kühlschranktür auf, in der Hoffnung, dass der Käse endlich Schimmel angesetzt hat. Vergeblich. Dieser verdammte Schmelzkäse wird mich noch überleben.
»Ich bin von einem tiefen, unerklärlichen Gefühl der Verunsicherung ergriffen, welches mir nicht erlaubt mein Leben so weiterzuführen, wie ich es bisher getan habe«, sage ich.
»Gibt’s das auch ’ne Nummer kleiner?«, fragt das Känguru.
»Hier!«, rufe ich. »Das aufgedruckte Haltbarkeitsdatum ist ja wohl eine Farce! Ist nur ein Trick, um die Käufer von der Natürlichkeit des Produktes zu überzeugen. Der Käse ist acht Monate überfällig.«
»Was machst du da?«, fragt das Känguru.
»Ich nehme ihn aus dem Kühlschrank heraus, um den Bakterien ihre Arbeit zu erleichtern.«
Aber da ist nichts, was sie zersetzen können. Tagelang liegt der Käse im geheizten Zimmer, ohne eine Spur der Veränderung.
»Du musst mal wieder raus«, sagt das Känguru. »Jetzt sitzt du schon vier Tage hier und starrst den Käse an.«
»Ich bin da einer ganz großen Sache auf der Spur!«, sage ich. »Und ich bin nicht der Einzige! Sieh dir das an!«
Ich reiche dem Känguru mein Notebook. Es gibt Dutzende Internet-Foren von und für Menschen mit ähnlichen Problemen. Da ist zum Beispiel Jean-Luc Roquefort aus Frankreich, der seit fünf Jahren darauf wartet, dass seine Packung Sandwich-Scheiben mit Paprikageschmack das Zeitliche segnet. Dass er inzwischen ein nervliches Wrack ist, kann man den Zwischenzeilen seiner Newsgroup-Beiträge entnehmen. Da ist der ehemalige McDonald’s-Manager Joe Jack Johnson, der nicht damit fertig wird, dass die Fast-Food-Kette mit dem Käse nicht nur ihre Burger belegt, sondern, wie er feststellen musste, auch ihre Filialen baut. Da sind die Geschichten über Nostradamus01, den Gründer der ersten Newsgroup namens ›Die gelbe Gefahr‹, der nach jahrelangen Qualen vor Verzweiflung über das leidige Schmelzkäsethema aus dem Fenster gesprungen sein soll. »Das Einzige, was von uns nach einem Atomkrieg zurückbleiben wird, ist: Schmelzkäse.« Stundenlang sitze ich vor dieser rätselhaften Prophezeiung, die Nostradamus01 angeblich Augenblicke vor seinem Suizid in der Newsgroup gepostet hat.
»Was meint er denn damit?«, fragt das Känguru.
»Was er damit meint?«, schreie ich. »Von der Hitze der Explosionen flüssig gemacht, wird sich eine gigantische, gelbe Schmelzkäsemasse wie Lava über den Planeten verteilen,Pflanzen, Tiere, Städte, Dörfer vertilgen und … O mein Gott!«
Da trifft es mich wie ein Schlag.
»Was’n los?«, fragt das Känguru.
»Der Mond«, sage ich. »Ist er nicht aus Käse? Oder zumindest mit Käse überzogen? Und die ganzen Krater! Mahnmale eines furchtbaren Krieges? Wie lange mag es her sein, dass der Schmelzkäse die Zivilisation auf dem Mond ausgelöscht hat? Jahrtausende? Jahrmillionen? Könnte dieser Tag des Jüngsten Gerichts mit dem Aussterben der Dinosaurier in Verbindung stehen? O mein Gott! Haben ein paar Querschläger vom Mond die verheerende Klimakatastrophe ausgelöst, die den dicken Kaltblütern zum Verhängnis wurde? Und entstand der Mensch nicht vielleicht aus der Paarung des letzten verbliebenen Mondmanns mit einem Affenweibchen? Plötzlich ergibt alles einen Sinn! 2001. Odyssee im Weltall. Die Affen. Der Monolith auf
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