Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Heidelberger Lehrveranstaltungen sowie den Kolleginnen und Kollegen des Zentrums für Europäische Geschichts- und Kulturwissenschaften der Universität Heidelberg. – Quellenzitate sind entweder vom Verfasser aus den Editionen übersetzt oder (teilweise modifiziert) aus den folgenden Buchreihen entnommen: Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe; Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit; Geschichte in Quellen 2: Mittelalter, 2. Aufl. 1978.
2 Antike Wurzeln – Byzantinische Konkurrenten
Am Weihnachtstag des Jahres 800 begründete Karl der Große das Kaisertum des europäischen Westens. Die neue Würde entwarf ein neues imperiales Konzept, das zukunftsträchtig auf die abendländische Geschichte einwirkte. Dabei begleiteten alte Traditionen und aktuelle Erfahrungen die Versuche des Frankenherrschers, sich in der römischen Geschichte einzunisten. Das Miteinander von fränkischen Königen und römischen Päpsten formte in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ganz wesentlichdie gedankliche wie rituelle Ausgestaltung des Kaisertums. Den Verantwortlichen waren die antiken Voraussetzungen und die zeitgenössischen byzantinischen Ausformungen als Folien ihres Handelns präsent. Auch wenn die Quellen immer nur Splitter des kulturellen Lernens wie der politischen Auseinandersetzung bieten, zeigen sie, wie Vergangenheit und Gegenwart prägend auf das Experiment des Jahres 800 einwirkten. Deutlich wird das in der Übernahme der antiken Herrschertitel und im Ringen um die Nutzung des römischen Erbes. Karl mehrte seinen fränkischen und langobardischen Königstitel um den Namen des Kaisers
(nomen imperatoris)
und präsentierte sich als Lenker des römischen Reichs
(imperium Romanum).
Die römischen Herrschernamen Caesar und Augustus traten später noch hinzu. So bildete der Dreiklang
Imperator Caesar Augustus
die Signatur für ein Kaisertum, das auf antiken Voraussetzungen gründete und fränkische bzw. ostfränkisch-deutsche Königsherrschaft kraftvoll steigerte. Zum Verständnis mittelalterlicher Traditionen und Innovationen sind darum Skizzen der antiken und byzantinischen Folien notwendig.
Am Anfang des römischen Kaisertums standen Caesar († 44 v. Chr.) und Augustus († 14 n. Chr.), als Personen wie als Herrschernamen. Über Jahrhunderte hatte sich die römische Republik scharf von der anfänglichen Königsherrschaft abgesetzt und die Monarchie zum Gegenbild des politisch Richtigen stilisiert. Der Vorwurf intendierter Königsherrschaft wurde zum Instrument politischer Propaganda. Als im 1. Jahrhundert vor Christus eine Militärdiktatur die Prinzipien der Republik aushöhlte, bediente man sich darum weiter republikanischer Wort-und Denkhüllen. Die faktische Alleinherrschaft einer Person wurde nicht mit dem Königsnamen erfasst. Vielmehr baute man die republikanische Verfassung auf eine Person um, verstetigte bisher zeitlich beschränkte Ämter (Diktatur, Volkstribunat, prokonsularische Gewalt) und stellte die militärische Kommandogewalt über das Heer heraus (Feldherr =
imperator
). Durch die Aufnahme heroisierter Gründernamen wie Caesar und Augustus bildeten sich in der Herrschaft des Einzelnen bald eigene Traditionen aus. Die Verleihung von Ehrenzeichen und derposthume Senatsbeschluss zur Vergottung Caesars markierten den neuen Rang des Princeps und ließen eine Repräsentationskultur mit öffentlichen Herrscherbildern entstehen. Der Princeps garantierte in Kulthandlungen durch besondere Nähe zu den Göttern das Wohlergehen des Staats.
Ihre Basis fand diese Macht des Einzelnen in der Kommandogewalt über das Heer. Seine Akklamation begründete Herrschaft, Treueide festigten Loyalitäten. In Krisensituationen erhoben die Legionen ihre Generäle und sicherten ihnen durch den Einmarsch in Rom die Verleihung des Diadems. Widerpart dieses fragilen Gehorsamssystems war der Herrscherkult, der den Kaiser aus irdischen Konstellationen heraushob und mit dem Amt die Person sakralisierte. Der Kult entwickelte sich im östlichen Mittelmeerraum aus den Traditionen hellenistischer Herrscherverehrung. Dann diente er in noch nicht befriedeten Teilen des Westens zur Bindung regionaler Führungsschichten an Reich und Kaiserhaus. Und schließlich dehnte Vespasian (69–79) den Herrscherkult mit seinen Institutionen auf alle großen Provinzen des Westens aus. Um nicht völlig mit römischen Traditionen zu brechen, unterblieb eine Konkretisierung der Heiligkeit des Monarchen. Die Verknüpfung des Kaiserkults mit dem Kult der
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