Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
er war so sehr Herr seiner selbst, daß er auch der Macht entsagen konnte. Maximian jedoch war anderer Natur und mußte
zur Abdankung mehr oder weniger genötigt werden. Der Eid vor Jupiter war Diocletians schärfste Waffe.
Die Vicennalienfeier am 20. November 303 in Rom war sozusagen der Stichtag für die Beendigung des Prinzipats, den Diocletian
und Maximian gemeinsam geführt hatten. Die Abdankungszeremonie folgte – nach der Genesung Diocletians von schwerer Krankheit
– am 1. Mai 305. In Nicomedia erklärte Diocletian im Rahmen eines Staatsaktes, er wolle nach getaner Arbeit die Herrschaft
auf kräftigere Schultern, nämlich die des Galerius, legen und diesem auch einen Caesar zur Seite stellen. Im Angesicht einer
Jupitersäule entledigte er sich sodann des Purpurs und bekleidete damit Maximinus Daia, den neuen Caesar (Lact. de mort. persec.
19, 1 – 5). Die parallele Zeremonie fand am gleichen Tag in Mailand statt. Maximian trat zurück und machte seine Stelle frei für Constantius
(Eutr. 9, 27, 2). Als Caesar ernannte er den von Diocletian dazu bestimmten Flavius Valerius Severus.
Mit dem Übergang der Augustus-Würde an die bisherigen Caesares und dem Eintritt neuer Caesares in das Kollegium war eine zweite
Tetrarchie geschaffen, deren Spitze Constantius bildete (Lact. de mort. persec. 20, 1), wohl weil er früher das Imperium erlangt
hatte als Galerius (oben S. 248). Hinsichtlich der beiden Caesares mochte Diocletian auf Grund ihrer Herkunft aus Illyrien
annehmen, daß sie sich in die von ihm gepflegte illyrische Tradition des Kaisertums (vgl. oben S. 248) gut einfügen würden.
Die Aufgabenbereiche der Augusti und Caesares erfuhren gewisse Modifikationen, deren wichtigste darin bestanden, daß Galerius
zum Donauraum auch Kleinasien, Constantius zu Gallien und Britannien auch Spanien erhielt. Maximinus Daia und Severus übernahmen
die um diese Gebiete verkleinerten Reichsteile Diocletians und Maximians. So schien alles geregelt, um das römische Staatsschiff
weiter auf dem Kurs zu halten, auf den Diocletian es gebracht hatte. Selbst die Weiterführung der Christenverfolgung erhielt
durch die Caesarernennung des Maximinus Daia einen neuen Impuls! Nur einem Problem war Diocletian ausgewichen: dem Fortwirken
des dynastischen Prinzips. Sowohl Maximian als auch Constantius hatte einen Sohn (Maxentius bzw. Constantin), der für die
Nachfolge in Frage gekommen wäre. Indem Diocletian, seinem rationalen Herrschaftsverständnis |270| entsprechend, deren Ansprüche ignorierte, gefährdete er das von ihm errichtete tetrarchische System in einer Weise, die an
dessen Grundlagen rührte.
Die Niederlegung des Kaiseramtes durch Diocletian und Maximian im Jahre 305 war ein für römische Verhältnisse unerhörter Vorgang.
Nur bedingt ließ er sich mit dem Rücktritt Sullas von der Diktatur im Jahre 79 v. Chr. vergleichen. Während Sullas Diktatur
auf einen bestimmten Zweck hin konzipiert war, d. h. eine zeitliche Begrenzung enthielt (vgl. App. bell. civ. 1, 98 – 99), war das Kaisertum auf Ewigkeit hin angelegt, so daß es schwerhielt, von dieser immer wieder propagierten Vorstellung
her die Abdankung zu erklären. Aber man fand eine Erklärung: 305 verkündeten die Münzen, daß die beiden Augusti in den ‘Ruhestand’
getreten seien, und zwar nach dem Ratschluß der Götter: PROVIDENTIA DEORVM QVIES AVGG (Rom. Imp. Coin. VI 428, Nr. 42a). Dementsprechend
behielten sie auch ihren Augustus-Namen, jedoch mit dem Zusatz
senior
. Als Ruhesitz wählte Maximian seine Güter in Lukanien. Diocletian hatte schon seit längerem seine dalmatische Heimat als
Refugium ausersehen und in Spalatum/Split einen Palast erbauen lassen. Der Diocletianspalast wirkte von außen wie eine riesige
Festung (mit 16 Türmen). Sein Inneres dagegen, vor allem die Vorhalle zum Kuppelsaal in der Mitte, ließ die ganze Majestät
des von Diocletian in Himmelshöhen erhobenen Kaisertums aufscheinen. Hier vermag man noch heute sich vorzustellen, wie der
senior Augustus
im edelsteinbesetzten Triumphalgewand fußfällige Huldigungen der Menschen entgegennahm – als Herr und Gott
( dominus et deus
), der zwanzig Jahre lang darum bemüht gewesen war, dem Staat eine neue Ordnung zu geben, und sich nun durch seine Abdankung
in geradezu asketischer Weise dieser Ordnung selbst unterworfen hatte. Die
res publica Romana
verdankte dem Illyrer Diocletian viel für ihre Fortexistenz in einer sich
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