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Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

Titel: Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Bellen
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Verwendbarkeit
     (vgl. oben S. 30). Es war die Zensur (73   /   74), die Vespasian und Titus den großen Schub
( ad lectio
) ‘neuer Männer’ in den Senat ermöglichte. Diese kamen aus Italien und den Provinzen (Suet. Vesp. 9, 2), und zwar überwiegend
     aus letzteren, so daß der Anteil der Provinzialen am Senatorenstand gegenüber den Italikern nicht unerheblich zunahm. Vor
     allem die Westprovinzen erhöhten ihre Repräsentanz im Senat, aber auch die Quote der Senatoren aus den Ostprovinzen wuchs.
    Die Integration der
homines novi
in den Senat verlief reibungslos. Sie erhielten in der Regel binnen kurzem die Chance zur Bewährung auf prätorischen Posten
     und erlangten etwa zehn Jahre nach ihrer Adlection oder auch später das Konsulat, wobei die Tatsache, daß der Höhepunkt ihrer
     Karriere in den Prinzipat Domitians fiel, als Beweis für die Kontinuität der ‘Personalpolitik’ Vespasians auf diesem Sektor
     gelten kann. Einer der
homines novi
war C. Antius Iulius Quadratus aus Pergamum/Asia. Sein Werdegang ist besonders gut bezeugt (Inschr. v. Perg. 440). Er führte
     nach fünf prätorischen Funktionen zum Konsulat im Jahre 94, dem ersten eines Pergameners.
    Zu den
adlectiones in senatum
, die Vespasian und Titus als Zensoren vornahmen, traten solche
inter patricios
(vgl. Script. Hist. Aug. Marc. Aur. 1, 2). Der Patriziat war als Grundbestandteil der altrömischen Gesellschaftsordnung in
     den Prinzipat übergegangen, und Augustus hatte ihn durch Kreierung neuer Mitglieder gestärkt (Mon. Anc. c. 8). Aber schon
     unter Claudius war deren Zahl so zusammengeschmolzen, daß wiederum eine
adlectio
notwendig wurde (Tac. ann. 11, 25, 2), und Vespasian stand 73   /   74 vor der gleichen Situation. Allein schon die Mitgliedschaft in den alten Priesterkollegien machte das Vorhandensein einer
     genügend großen Zahl von Patriziern erforderlich. Hinzu kam dann noch, daß die Erhebung in den Patrizierstand inzwischen als
     ein kaiserlicher Gunsterweis angesehen wurde, so daß sich Vespasian und Titus die Chance bot, die Patrizierwürde für bestimmte
     Verdienste oder in bestimmter Absicht zu verleihen. Tatsächlich scheinen sie bei ihren |99|
adlectiones
die militärische Tüchtigkeit der Kandidaten als leitenden Gesichtspunkt befolgt zu haben. Man denke nur an Cn. Iulius Agricola
     und M. Ulpius Traianus (Vater und Sohn)! Sie und die übrigen Neupatrizier verstärkten jedenfalls das flavische Führungscorps
     in beträchtlichem Maße.

Der engere Kreis der von Vespasian neuformierten senatorischen Elite besaß das Vorrecht, dem Kaiser als amici besonders nahe
     verbunden zu sein und im consilium principis bei der Beratung und Entscheidung wichtiger Angelegenheiten mitzuwirken. Zu den
     Senatoren traten Ritter, die durch Amt und Einfluß an die Spitze ihres Standes aufgestiegen waren (vgl. oben S. 30 f.), so
     daß von einem Beratergremium Domitians gesagt werden konnte, es bestehe aus „den angesehensten Männern beider Stände“ (Corp.
     Inscr. Lat. IX 5420). Die Regierungszeit der flavischen Kaiser ließ das consilium principis auch im Bewußtsein der Öffentlichkeit
     zur Institution werden, wie die Persiflage einer Konsiliumssitzung unter Vorsitz Domitians durch den Dichter Juvenal (sat.
     4, 72   –   149) beweist. Dabei spielte gewiß eine Rolle, daß die Mitgliedschaft im Konsilium unter den drei Kaisern weitgehend konstant
     blieb (vgl. Suet. Tit. 7, 2). Männer wie der Redner Q. Vibius Crispus, der Jurist Plotius Pegasus und der Militärschriftsteller
     Sex. Iulius Frontinus, alle drei im Staatsdienst groß geworden, mögen als Beispiele für die durchgängige Zugehörigkeit zu
     den amici principis dienen.

Der Empfang der
amici
bei der Morgenaudienz des Kaisers war ein festes Ritual und führte zu einem engen Kontakt dieser hochstehenden Persönlichkeiten
     auch untereinander, so daß es nicht zu verwundern braucht, daß aus diesem Kreis der Nachfolger Domitians, M. Cocceius Nerva,
     hervorging (unten S. 114 f.). Vor allem aber waren die Freunde des Kaisers auf diesen selbst ausgerichtet. Ein Frühaufsteher
     wie der ältere Plinius begab sich schon beim Morgengrauen zu ‘seinem’ Kaiser, Vespasian, der gleichfalls früh den Tag begann
     (Plin. min. ep. 3, 5, 7). Vespasian pflegte sofort nach dem Aufstehen die Korrespondenz zu erledigen und die Rapporte der
     einzelnen Ämter zu studieren (Suet. Vesp. 21). So war er à jour, wenn die offizielle Morgenaudienz begann, und er konnte sich
    

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