Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
4). Mit ihr hat man die unterirdische Begräbnisstätte an
der Via Ardeatina als
[sepulc]rum [Flav]iorum
in Verbindung gebracht (Inscr. christ. urb. Rom. III 8235) und den daraus erwachsenen christlichen Friedhofskomplex als „Domitilla-Katakombe“
bezeichnet. Diese (zwei felhafte ) Überlieferung konnte sich nur bilden, weil unter Domitian außer Juden auch Christen zu leiden hatten. Der römische Bischof
Clemens sprach davon in seinem ›Brief an die Korinther‹ (1, 1), und die auf der Insel Patmus (südöstl. von Samus) entstandene
›Apoca lypse ‹ |95| des Johannes enthielt dementsprechende Anspielungen (z. B. 15, 2). Danach scheinen die Christen in Rom und Kleinasien Verfolgungen
ausgesetzt gewesen zu sein, die Anlaß gaben, Domitian nach Nero als Christenverfolger einzureihen (Euseb. hist. eccl. 3, 17).
Das Christentum trat in der Flavierzeit erstmalig literarisch in Erscheinung – mit einer eigenen Gattung: den Evangelien.
Aus der mündlichen Tradition über Christi Wirken auf Erden von der Taufe bis zur Auferstehung formte Marcus, der zum Umkreis
des Apostels Petrus gehörte, um das Jahr 70 (Zerstörung des Tempels in Jerusalem) eine zusammenhängende Darstellung. Diese
wurde von Matthaeus und Lucas um weitere Überlieferungsstücke bereichert, vor allem um die Kindheitsgeschichte und das Geschehen
zwischen Auferstehung und Himmelfahrt. Lucas verknüpfte zudem die Heilsgeschichte mit dem Römischen Reich, indem er Christi
Geburt und den Zensus des Augustus synchronisierte (2, 1). In der ›Apostelgeschichte‹ gab Lucas sodann einen Bericht über
die christliche Mission, insbesondere die des Apostels Paulus, dessen Gefährte er war. Als viertes Evangelium beanspruchte
schließlich das des Johannes, Christus als den fleischgewordenen göttlichen Logos zu verkünden (1, 1 – 18) und dadurch dem Glauben an ihn eine neue Dimension zu eröffnen (20, 30 – 31).
Es war wie ein Hinweis auf die künftige Entwicklung, daß das Johannes-Evangelium, das sublimste seiner Gattung, in Ephesus
entstand, wo der Kaiserkult domitianischer Prägung soeben seinen stärksten Ausdruck gefunden hatte: Hoch über der Agora war
der mächtige Domitian-Tempel errichtet worden mit der Kultstatue des Kaisers, welche viermal die Menschengröße übertraf (Teile
von ihr im Archäologischen Museum Izmir). Gegen den darin manifestierten Anspruch des Gottkaisertums mußte die christliche
Botschaft sich durchsetzen!
Der Domitian-Tempel in Ephesus war ein solcher des provinzialen Kaiserkults, wie er in Pergamum und Smyrna gepflegt wurde
(oben S. 18. 61). Die Provinz Asia erhielt mit ihm also bereits den dritten Tempel dieser Art, so daß es hier nun auch drei
(fünfjährige) Festspielzyklen gab. Sie griffen so ineinander, daß fast jedes Jahr in einer der drei als „Tempelhüter“ (Neokoroi)
bezeichneten Städte eine Massenveranstaltung zu Ehren des Kaisertums stattfand. Nimmt man den vom Landtag der Provinz getragenen
Kaiserkult als Gradmesser der Intensität, mit der die Städte der Provinz überhaupt ihn pflegten, so wird man den Domitian-Tempel
in Ephesus |96| als neuen Beweis für die Spitzenstellung der Provinz Asia in der Loyalitätsbekundung für das Kaisertum ansehen dürfen. Er
wurde übrigens nach der Ermordung Domitians und seiner
damnatio memoriae
auf den Divus Vespasianus ‘umgewidmet’.
Obwohl Vespasian in bezug auf seine eigene Person dem Kaiserkult reserviert gegenüberstand („Ach du lieber Himmel, ich glaube,
ich werde ein Gott“, Suet. Vesp. 23, 4), wußte er ihn als Mittel, die Kaiserherrschaft zu stabilisieren und die Kommunikation
der Reichsbevölkerung zu stärken, sehr wohl zu schätzen. So führte er ihn auch in solchen Provinzen ein, die auf Grund ihrer
Romanisierung einer Kultorganisation auf höchster Ebene nicht unbedingt bedurften. Gallia Narbonensis, Hispania Baetica, Africa
Proconsularis und die beiden Mauretanien wurden durch Vespasian in den provinzialen Kaiserkult einbezogen, d.h., sie erhielten
einen Landtag, einen Provinzialpriester
( flamen
: Corp. Inscr. Lat. XII 6038 [Narbo]) und das entsprechende Festwesen. Vespasian trat damit geradezu als Vorkämpfer des Kaiserkults
auf.
Durch die Divinisierung Vespasians (80) und seines Sohnes Titus (81) zog die flavische Dynastie mit der julisch-claudischen
gleich, die mit Augustus und Claudius ebenfalls zwei divinisierte Kaiser aufzuweisen hatte. Domitian tat alles, um seine
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