Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
flavischen
Vorgänger gerade in bezug auf ihre Vergöttlichung in der Erinnerung der Menschen zu verankern und ihre Verehrung zu fördern.
Er vollendete den von Titus begonnenen Tempel für den Divus Vespasianus auf dem Forum (zum Kapitol hin) und weihte ihn auch
dem Divus Titus. Auf dem Quirinal errichtete er das Grabmal der Flavier als Templum gentis Flaviae (vgl. oben S. 86), und
auf dem Marsfeld dedizierte er dem Andenken an Vater und Bruder die Porticus Divorum (in der Nähe des Isis-Tempels).
Die monumentale Präsenz der beiden flavischen Divi im Stadtbild Roms wurde ergänzt durch die Tempel des Divus Augustus und
des Divus Claudius, die in der Flavierzeit restauriert (Plin. nat. hist. 12, 94) bzw. fertiggestellt (Suet. Vesp. 9, 1) wurden.
So nahm der Kaiserkult auch in Rom mehr und mehr Gestalt an. Dies geschah aber nicht etwa auf Kosten der alten Kulte, sondern
ging mit deren Pflege Hand in Hand. Für Vespasian genügt es, auf eine Ehreninschrift hinzuweisen, die ihn als
conservator caerimoniarum sacrarum
pries und seinen Eifer bei der Wiederherstellung von Tempeln hervorhob (Corp. Inscr. Lat. VI 934). Titus setzte sozusagen
das ganze Repertoire der Religion ein, um das Unheil, welches mit Pest, Feuer und Vesuvausbruch 79 / 80 über Rom und Kampanien |97| hereingebrochen war, zu bannen (Suet. Tit. 8, 4). Domitian schließlich achtete geradezu peinlich darauf, daß die Verbindung
mit den Göttern nicht gestört werde. Zum Beispiel ließ er in allen Stadtteilen, die von der Feuersbrunst unter Nero (64) betroffen
worden waren, Altäre errichten, an denen jährlich das Fest des Volcanus (23. 8.) mit Opfern „zur Abwendung von Bränden“ begangen
werden sollte. Ein entsprechendes Gelübde war bisher nicht erfüllt worden (Inschrift: Corp. Inscr. Lat. VI 3083 b, Altar in
situ: Via del Quirinale 30). Das größte Aufsehen erregte die Verurteilung der Obervestalin Cornelia zum Tode durch Lebendigbegraben
(vgl. Plin. min. ep. 4, 11). Ihr wurde Keuschheitsfrevel vorgeworfen, der als Prodigium galt. Die Strafe, die Domitian als
Pontifex maximus im Jahre 90 über sie verhängte, war eine solche „nach alter Sitte“ (Suet. Dom. 8, 3 – 4) und sollte aller Welt zeigen, daß in Beurteilung und Ahndung eines solchen Frevels keine Änderung eingetreten war.
Eine Demonstration ungebrochener religiöser Tradition bot die Säkularfeier, die Domitian im Jahre 88 unter rechnerischem Anschluß
an die des Augustus (oben S. 8) ausrichtete. Sie ließ zudem nach Ausweis der Münzen die Rolle des Kaisers stark hervortreten
(z. B. Rom. Imp. Coin. II 202, Nr. 381). Einen neuen Weg der Götterverehrung beschritt Domitian mit der Einrichtung des
certamen Capitolinum
im Jahre 86. Dabei handelte es sich um einen griechischen Agon mit gymnischen, hippischen und musischen Konkurrenzen. Da für
sie neue Austragungsstätten notwendig waren, erbaute Domitian auf dem Marsfeld ein Stadion (heute: Piazza Navonna) und im
Anschluß daran nach Süden ein Odeon. Das alle vier Jahre gefeierte Fest war dem kapitolinischen Jupiter geweiht, weshalb der
Jupiterpriester
( flamen Dialis
) neben dem Kaiser maßgeblich daran beteiligt war (Suet. Dom. 4, 4). Das
certamen Capitolinum
blieb auch nach Domitian fester Bestandteil des römischen Festwesens.
An der Säkularfeier des Jahres 88 war der Geschichtsschreiber Tacitus aktiv beteiligt – als Mitglied des Priesterkollegiums
der
quindecimviri sacris faciundis
und Prätor dieses Jahres (Tac. ann. 11, 11, 1). Er hatte von Vespasian den
latus clavus
erhalten, der ihm, wie so manchem Ritter damals, die senatorische Laufbahn eröffnete. Vespasian stand ja zu Beginn seiner
Regierung vor der Aufgabe, den durch Neros Wüten und die Wirren unter seinen kurzlebigen Nachfolgern zusammengeschrumpften
Senat wiederaufzufüllen, und zwar, entsprechend seinen dynastischen Plänen, auf lange Sicht. Dementsprechend sagt Tacitus
von seiner Karriere, sie sei |98| von Titus gefördert und von Domitian weiter begünstigt worden (Tac. hist. 1, 1, 3). Andererseits brauchte Vespasian schon
bald einen funktionsfähigen Senat, d. h. die Vergrößerung des Reservoirs, aus dem die zahlreichen senatorischen Ämter besetzt
werden konnten. Um diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, beförderte er eine große Zahl von Rittern (sicher über 100) und auch
Senatoren der unteren Stufe zu Prätoriern, d. h., er hob sie auf die Plattform vielseitiger administrativer
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